Text: Jan-Frederic Goltz, 16. August 2017

Anfang 2000 verknallte ich mich mal in eine Stadt und ihren damaligen Sound. Meine Erinnerung gaukelt mir dazu ein Ambiente aus kargen Räumen und haushohen Verstärkertürmen vor – raue schwere Chords und ohrenbetäubende Feedbacks durchdringen Beton, jeder Schlag auf die Snare ist so unsagbar laut, dass Augen nervös auf die zwei und die vier zucken. Na ja, sieht ja niemand im Schummerlicht. Ansonsten nur eitle Attitüde in verrauchten und Alkohol geschwängerten Nächten und das typische Gefühlswirrwarr Anfang 20. Ich, irgendwo dazwischen und völlig wehrlos, als jene Form des Indie-Post-Punk-Rock-You-Name-It ganz unverhofft mit mir flirtete.

Jetzt sind da plötzlich Gold Class aus Melbourne und wärmen mit ihrem Album „Drum“ die Tresen-Grundstimmung von damals wieder auf. Knolle Bier in der einen, Kippe in der anderen Hand. Verdreckte Chucks die automatisiert im Takt zucken („Rose Blind“), Gitarren-Riffs, die Wände sind und Vocals, die sich gern und ein wenig selbstverliebt überschlagen – dazu groovende Basslines, bis die dicken, aus Metall gestrickten Saiten schnattern („Twist in the Dark“). Herrje, so spät schon, drinnen heiß, draußen heiß, alles verschwommen, niemand will ein Ende finden, also immer weiter von Laden zu Laden, irgendwann ist eh alles egal („Get Yours“).

Bestimmt werden Gold Class die Nächte anderer Generationen in den Städten begleiten. Bin ich mir sicher. Sie klingen einfach danach. Ein wenig emotional, bisschen cool, bisschen unnahbar. Findet man ja mitunter ganz attraktiv („We Were Never Too Much“). Eigentlich ja witzig – Musiker schreiben Songs, um ihren Kram zu verarbeiten, damit wir wiederum mit jenen Songs in Erlebnissen, Krisen, Liebschaften und wie sie alle heißen aufblühen können. Sänger Adam Curley zum Beispiel, wurde kurz vor den Aufnahmen zum aktuellen Album von seiner damaligen Freundin verlassen und textete daraufhin völlig isoliert in einem Haus von Freunden von Freunden über Tragödien, die das Leben manchmal schreibt, während der Fernsehapparat über die noch viel traurigere Weltgeschichte berichtet („Thinking Of Strangers“). Hört man irgendwie raus, ist aber gar nicht schlimm. Hat er ja bestimmt nicht gemacht, damit alle zum Trost sein Album kaufen. Das geht nämlich besten Gewissens auch so, sofern man eine gewisse Sehnsucht nach einem typischen, aber ehrlich-trotzigem Indie-Rock Album hat.

20 – 23/09/2017 Hamburg – Reeperbahn Festival

VÖ: 18. August 2017 via Felte Records