Text: Säm Wagner, 16. März 2018

Colin Meloy hatte arge Zweifel. Merklich genervt von seinem Beruf war der Decemberists-Kopf, als er vor einer Weile den R.E.M.-Gitarristen Peter Buck traf. Letzterer hat dem Rolling Stone in einem Interview danach nämlich gesteckt:

I was talking to Colin Meloy (of the Decemberists). He was going, ‚Boy, you guys got out at the right time. The festivals are horrible now. They all have that fucking dance tent. You get these kids who are totally tripping, walking through and yelling during your set, and then there’s that thumping all night long.‘

Es ist nicht mehr ganz einfach. Jetzt, wo EBM und Electro-Acts die Jugend der Welt erobert haben. Was tun also, wenn man seit 17 Jahren in einer Folkrock-Band spielt? Man sucht sich ein neues Gimmick, um die Band wieder ein wenig anders klingen zu lassen – frischer. So kam es, dass auf dem neuen Decemberists-Album auffällig viele Synthie-Klänge verteilt wurden. Nein, auf „I’ll be you Girl“ schielt die Band aus Portland nicht auf die Electro-Club-Tanzfläche. Die Decemberists klingen, wie die Decemberists eben schon lange klingen. Nur, dass jetzt ein 80ies-Keyboard mit im Proberaum steht.

„I’ll be your Girl“ klingt deshalb nicht gleich neu und anders. Viel mehr bleiben die Decemberists ihrem Barock-Folk treu, lassen höchstens ausufernde Songs dieses Mal außen vor (einzige Ausnahme: das epische „Rusalka, Rusalka/The Wild Rushes“). Und: Sie drehen sich so trotzdem im Kreis. „I’ll be your Girl“ ist ein verlässlich okayes Decemberists-Album geworden. Mit Höhen („Once in my Life“, „Cutting Stone“) und Tiefen („Tripping along“). Manchmal klingt die Synthie-Frischzellenkur leider wie nachträglich auf den eigentlich schon fertigen Song draufgeklatscht (“Severed“). Klar, Meloys wundervolle Stimme kann noch immer jedes Herz öffnen. Dazu reichen aber auch alle vorangegangenen Decemberists-Veröffentlichungen aus.

Was ich hier aber endlich mal anbringen kann: Colin Meloy hat sich auch zweites Standbein aufgebaut. Zusammen mit seiner Frau, der Illustratorin Carson Ellis, veröffentlicht er regelmäßig Bücher. Vor allem die fabelhafte Fantasy-Trilogie „Wildwood“ für Kinder sei hier jedem ans Herz gelegt.

16/11/2018 Berlin – Astra Kulturhaus

VÖ: 16. März 2018 via Rough Trade Records