Text: Julian Neckermann, 11. Oktober 2017

Es gibt Platten, die ein Genre bedienen, mit dem man eigentlich irgendwie abgeschlossen hat, die einen aber trotzdem zumindest aufhorchen lassen. So verhält es sich mit der sechs Tracks umfassenden EP „Envy“ von The Lumes aus Rotterdam. Deren Musik lässt sich am ehesten als Post-Punk klassifizieren – und leider sieht man sich auch in dieser Musiksparte einem Markt gegenüber, dessen Neuerscheinungen sich wiederholen zu scheinen – fällt es einem doch wirklich schwer, neue Genre-Perlen herauszuklauben, die eben nicht nur Abzüge ihrer großen Vorbilder sind.

Bei The Lumes verhält es sich aber nicht ganz so. Auch sie klingen vertraut noisig, fast schon „80er-Jahre-wavig“ und doch haben sie ihre eigene Stimme gefunden. Das ist auf jeden Fall eine Stärke der Platte: Man könnte ohne Vorwissen schwer sagen, ob sie schon 30 Jahre auf dem Buckel hat oder eben 2017 erschienen ist. Ebenfalls zu bemerken ist, dass das Material einfach Power hat, gut produziert ist und vor allem authentisch klingt. Die verzweifelten „No-Future-Texte“, die mal tieftraurig, mal nihilistisch-arrogant intoniert werden, nimmt man Sänger und Gitarrist Maxime Prins stets ab, da klingt nichts aufgesetzt – er erlaubt uns einen tiefen Einblick in seine persönliche Gefühlswelt. Dabei sind diese, wie die Instrumentals, recht minimalistisch gehalten. Was übrigens auf die ganze Konzeption der EP zutrifft: Minimalistisches s/w Frontcover, minimalistischer Titel, minimalistische Spielzeit und auch die einzelnen Tracks sind minimalistisch, schlagwortartig mit einem Wort bezeichnet. Das alles erweist sich dann auch als wirklich kurzweilig, wobei hervorzuheben ist, dass unter dem verrauschten, Shoegaze-Gitarrenwänden schöne Bassspuren und das frenetische Schlagzeugspiel immer wieder dazu einladen, die EP paarmal rotieren zu lassen und in den Genuss wirklich schöner Melodien zu kommen, die sich unter dem ganzen noisigen, etwas gleichklingenden Gewurschtels verbergen. Denn das könnte sich auf einem Langspieler wirklich als Problem erweisen: Dass sich das Konzept schnell als ziemlich ermüdend erweist.

Bis dahin kann man aber nur konstatieren: Musik, die mit ihrer Tonalität und ihrem textlichen Inhalt wie ein Symptom unserer Zeit anmutet; aber auch Musik wie gemacht für Menschen, die zu den New-Wave-Ursprüngen selbst Teens waren und in Erinnerungen ihrer eigenen Teenage-Angst schwelgen wollen.

04/11/2017 Berlin – Internet Explorer (+ Melt Downer & Yoga)

VÖ: 6. Oktober 2017 via Crazysane Records