Text: Julian Neckermann, 03. April 2018

So, der nächste Pressling aus Österreich landet auf meinem Schreibtisch – und ein alter Bekannter noch dazu, jedoch in anderer Formation: Paul Plut, der uns (zumindest mich sehr stark) vor gar nicht so langer Zeit mit seiner Solo-Scheibe „Lieder vom Tanzen und Sterben“ beglückt hat, liefert nun ein neues Album mit seiner Band Viech ab. Mit diesem geht es noch „Heute Nacht nach Budapest“ – schön wärs! Aber wenn, dann wäre es ein optimaler Begleiter, wenn man sich unangekündigt raus stiehlt, mit einer dürftig gepackten Sporttasche und schlecht rasiert ins Auto steigt und klammheimlch abdüst. Und sei es, dass sich das mal wieder als kleine Übersprungshandlung herausstellt und man mit eingezogenem Schwanz zurückkehrt; weil Fehler machen wir alle mal, mitunter auch ziemlich viele.

Scheint grad so ein Ding zu sein: Die kürzlich besprochene, neue Scheibe der Spezln aus Wien, bedient ja ganz ähnliche Themen. Da wird nämlich gleich im ersten Song auch erst mal geflüchtet und im weiteren Verlauf dann viel gegrantelt und sich in Melancholie gebadet. Der Unterschied: Während das bei den Kollegen bisweilen ziemlich an den Nerven zerrt (wobei ich ihnen wohlwollend unterstelle, dass das zum Konzept gehört) und man fast schon in diese „Es-ist-eh-alles-furchtbar-schlecht-und-echt-doof-Lethargie“ verfällt, fühlt man sich bei Viech wie ein kleiner Gauner – nicht sonderlich bös, aber moralisch nicht ganz astrein – dem man seine Fehltritte nicht als solche übel nimmt, sondern die ihn ganz im Gegenteil, als irgendwie warmen, liebevollen Charakter, „von etwas windiger Eleganz“ (Zitat von Helmut Dietl) auftreten lassen – Franz-Münchinger-Blues sozusagen.

Klar, die Texte von Viech sind noch etwas persönlich-alltäglicher – wenn überhaupt nur subtil politisch – was sie noch leichter macht und die ihnen innewohnende Melancholie diesen romantischen Anstrich gibt, der man sich manchmal eben doch zu gern hingibt, weil man sich in seiner vermeintlich eigenen (bierseligen) Tragik (das darf man eigentlich keinem erzählen, weil Hand aufs Herz: uns gehts schon nicht allzu schlecht) recht gut gefällt. Da unterscheidet sich „Heute Nacht nach Budapest“ auch von seinen zwei Vorgängern: Da ist das selbstbetitelte Debut, das so schräg und positiv, aber wenig konsistent ist, weil hier lediglich zwei Multiinstrumentalisten als Viech agieren, die wohl beide einen recht starken Charakter haben (auch hier unterstelle ich das einfach mal wieder); und der Zweitling „Yeah“, damals schon fünfköpfig, sehr poppig und mitunter leider irgendwie beliebig.

Und dann ist da eben nun das neueste Werk, auf dem man als Trio auftritt. Jetzt ist dann auch alles aus einem Guss und hat einen unverkennbaren Charakter – vor allem Paul Pluts Stimme. Was man wohl als kleinen Kritikpunkt anführen könnte. Ein bisschen merkt man nämlich den Einfluss von „Lieder vom Tanzen und Sterben“ schon – im Vergleich zu den Vorgängern ist das hier schon viel bluesiger, düsterer und Pluts Stimme mit ihrem schauderhaft-wohligen Timbre krabbelt einem das eine oder andere mal über den Rücken, aber das ist wirklich schon meckern auf sehr hohem Niveau. Denn alles in allem hebt sich die Scheibe hier schon vom sehr persönlichen Solo-Werk und so vor allem von der Person Plut ab. Das ist weniger experimentell, leichter hörbar, aber keineswegs schlechter, sondern einfach anders. Und was man auf jeden Fall erwähnen muss: Die Texte erweisen sich mal wieder als schlicht genial – „mal wieder“, weil trotz der angebrachten Kritik an den früheren Viech-Alben, diese schon immer ein ganz dickes Plus der Band waren und womit sie sich von den anderen aktuellen Österreich-Exporten extrem abgehoben haben.

Fazit: „Lieder vom Tanzen und Sterben“ habe ich seit der Veröffentlichung in meinem „Fluchtsackerl“, das immer geschnürt an der Garderobe hängt, falls es mich packt und ich einfach raus zum Walden muss und „Heute Nacht nach Budapest“ werde ich standardmäßig im Auto deponieren, erweist es sich doch als perfekter Soundtrack für den Trip in die Einsamkeit, aber auch für die Rückfahrt in die Zivilisation.

05.04.2018 (AT) Innsbruck – PMK
06.04.2018 (AT) Bludenz – Remise
07.04.2018 (AT) Schladming – Klangfilmtheater
13.04.2018 (AT) Wien – Sargfabrik
19.04.2018 München – Unter Deck
20.04.2018 (AT) Graz – Orpheum Extra
21.04.2018 (AT) Villach – Kulturhofkeller

VÖ: 06. April 2018 via Phonotron