Text: Michael Smosarski, 04. September 2020

Vor wenigen Jahren ließ Bright Eyes-Kopf Conor Oberst auf sein akustisches Kammerspiel „Ruminations“ das Album „Salutations“ folgen – letzteres enthält weitestgehend die gleichen Songs, eingespielt allerdings in voller Bandbesetzung. Angel Olsen geht nun den umgekehrten Weg – auf ein episch-orchestrales Album folgt mit „Whole New Mess“ ein reduziertes, und neun der elf Songs kennen Fans bereits vom Vorgängerwerk „All Mirrors“.

Und doch ist „Whole New Mess“ nicht einfach das Gegenstück dazu, denn auch in den neuen Versionen wirken die Songs wie verhangen – ständig legen sich Verzerrung und Hall wie Nebelschwaden über Stimme, Gitarre und die spärlich eingesetzten Tasteninstrumente, die den Sound hier und da andicken. Die Aufnahmen, die in einer alten Kirche entstanden, sind echte Performances, Mitschnitte, die zeigen, wie sehr Olsen als Künstlerin in den vergangenen Jahren gereift ist. Ihre Stimme reicht von Falsett über Crooning bis zu selbstvergessenem Säuseln, wie etwa am Ende von „Tonight“; das manchmal tastend wirkende Gitarrenspiel der Anfangstage ist heute selbstbewusst, nuanciert, charismatisch.

Dabei ist „Whole New Mess“ nie reiner Schönklang, sondern wie ein Kratzen im Hals, das man nicht los wird: Die raue Bandsättigung auf den Vocals, die oftmals leicht verstimmte Gitarre, die dissonanten Durchgangsakkorde im Titeltrack, all das schafft ein seltsam genußvolles Unwohlsein. Angels Olsen wirkt völlig in sich zurückgezogen und dabei offen und verletzlich wie nie – „Whole New Mess“ ist ein betörendes akustisches Psychogramm, das problemlos auch ohne „All Mirrors“ als großen Bruder bestehen kann.

VÖ: 28. August 2020 via Jagjaguwar