Text: Nico Beinke, 31. August 2020

Das Motiv des Reisens ist so alt wie die Literaturgeschichte selbst. Von Homers „Ilias“, zum mittelalterlichen „Simplicissimus“ bis hin zu Fontanes „Reisen durch die Mark Brandenburg“; der Weg ist eine Notwendigkeit für den kreativen Prozess der Kunstschaffenden. Vielleicht steht den „Game Trails“ aber eher das vermeintlich ziellose Traumwandeln des Eichendorffschen „Taugenichts“ Pate, ein Sich-treiben-lassen, dass den Protagonisten reifen lässt und zu Höherem beruft.

Der deutsche Multi-Instrumentalist Markus Sieber alias Aukai hat das Ronroco von einer Südamerika-Reisen mitgebracht, eine in den Andenregionen verbreitete Miniatur-Gitarre, die aussieht wie ein Ukulelen/Sitar-Mashup, die er zu seinem neuen Hauptinstrument während seines dritten Albums „Game Trails“ bestimmt. Wobei der Harfe seiner Frau Angelika Baumbach ein durchaus prominenter Anteil an Songs wie „Rekindle“ eingeräumt wird. Seit jeher ein großer Anhänger von Orbitals legendärem „The Box“-Mehrteiler, freue ich mich verkünden zu dürfen, dass der Übergang von „Rekindle“ zu „Afternoon Moon“ einer Weiterführung des songübergreifenden Harfen-Themas aus „The Box“ nahekommt. Das Cellospiel der wunderbaren Anne Müller, deren Album „Heliopause“ auf Neølyd schon wohlwollend besprochen wurde, sorgt einmal mehr für einen sehnsuchtsvollen Unterton im Großteil der zehn Songs. Und vor allem sorgt Müller in dieser Konstellation ebenfalls für eine innige Umarmung der Genres Ambient und Neoklassik.

„Game Trails“ von Aukai scheint das nahezu perfekte, musikalische Äquivalent zum omnipräsenten Thema der Wanderschaft und Naturverbundenheit der Frühromantik gelungen zu sein. Eine Art folkloristische Entsprechung zur Gegenwartsmusik, zu Hilfenahme der niemals alternden Motive der Freigeistigkeit.

VÖ: 28. August 2020 via Aukai Music