Text: Christoph Walter, 30. Januar 2020

Oft verheben sich Supergroups am gut gemeinten, aber allzu hohen Anspruch, etwas völlig Neues oder gar Revolutionäres zu erschaffen. Bonny Light Horseman, benannt nach einem britischen Folk-Klassiker, umschiffen diese Klippe allerdings elegant, denn sie versuchen sich gar nicht erst an etwas Neuem, sondern verleihen Traditionals, die zum Teil mehrere Jahrhunderte auf dem Buckel haben, einen zeitgemäßen Anstrich. Und hat nicht auch das Vorhaben, etwas Schönes wieder in neuem Glanz erstrahlen zu lassen, etwas Revolutionäres an sich?

Jedenfalls merkt man der Zusammenarbeit zwischen der mit ihrem Musical „Hadestown“ immens erfolgreichen Anaïs Mitchell (acht Auszeichnungen bei der letzten Tony-Verleihung), dem Indie-Haudegen Eric D. Johnson (Fruit Bats) und dem Multiinstrumentalisten und Produzenten Josh Kaufman an, dass es ihnen mit Bonny Light Horseman um mehr geht, als nur darum, ein paar alte, teils fast vergessene Lieder neu einzusingen.

Allein das wehmütige Titelstück, das nach seinem spröden Beginn mit herrlicher Harmonie verzückt, setzt schon ein großes Ausrufezeichen. Überhaupt sind gerade die Stücke, in denen Mitchell den Lead-Gesang übernimmt, besonders stark — so macht sie etwa aus dem etwas kitschigen, angestaubten Traditional „By The Roving Of Her Eye“ die astreine, maximal eingängige Popballade „The Roving“. Übernehmen die beiden Herren den Gesang, weckt „Bonny Light Horseman“ eher Erinnerungen an Bob Dylans „Nashville Skyline“ oder an den Ryan Adams der „Cold Roses“-Ära. Auch gut, aber nicht ganz so entzückend wie bei Anaïs Mitchell allein oder bei allen drei gemeinsam im hervorragenden Wechselgesang-Gospel „Bright Morning Star“ oder dem balladesken Schlussakt „10,000 Miles“. Eine schöne Platte, ohne Wenn und Aber!

VÖ: 24. Januar 2020 via 37d03d