Text: Bernd Skischally, 24. Juni 2020

Ein Pärchen hat Sex und verschmilzt dabei zu einem stattlichen Krokodil. Eine regenbogenfarbige Mensch-Maschine fährt arschvoraus. Ein Rehkopf wurzelt in einem Blumentopf und trägt einen hübsch verzweigten Ast anstelle des Geweihs. In der Welt des 300-seitigen „Codex Seraphinianus“, der „weirdest Encyclopedia ever“ (Wired), die der italienische Architekt und Künstler Luigi Serafini Ende der 1970er erschaffen hat, erscheint alles ebenso möglich wie anziehend fantastisch.

Was es bedeutet, wenn sich eine Band aus der südenglischen Grafschaft Sussex nach eben diesem buchgewordenen Meisterwerk benennt, kann man sich an nur einem Löschpapier zusammenreimen. Die 5-Track-EP „Serpents of Enceladus“ von Serpents of Enceladus, die bereits im Februar auf Ceremonial Laptop und Halfmeltedbrain Records erschienen ist, lässt sich ganz wunderbar wegtranspirieren, während man seine optischen Sinne mit Serafinis Fabelwesen und Verrücktheiten überstrapaziert.

Noch besser aber: Wer das höchst seltene Buch nicht besitzt oder gerne die Augen schließt beim Musikhören, wird an der fünfköpfigen Combo ebenso seine Freude haben. Passt man nicht auf, verschmelzen auch die fünf Songs der EP – zu einem wabernden Jam mit vielen mysteriösen Verzweigungen und Andeutungen, mal alarmierend noisy, mal treibend und verträumt, ähnlich wie man es von den frühen Goat kennt. Dabei bleiben die Engländer immer limitiert genug, um die kurzweilige Frische der Songstrukturen nicht zu ersticken. Ein ganz entzückendes Hokuspokus-Mythen-Gesamtpaket diese EP.

Mit „Twisting the Serpents of Enceladus“ gibt es die fünf Stücke (plus eine Zugabe) sogar noch geremixed, wobei sich der Kreis zu Acid im Buch und Acid im House zumindest ansatzweise schließt.

VÖ: 07. Februar 2020 via Ceremonial Laptop / Halfmeltedbrain Records