Text: Jan-Frederic Goltz, 01. März 2019

Was mir zunächst einmal passiert ist, ist Folgendes: Seit geraumer Zeit landen sämtliche Rezensionen die mit der Hansestadt Hamburg zu tun haben, auf meinem Tisch. An sich finde ich das ganz prima, aber bei der dritten Ankündigung in Folge die mit Stella Sommer verwandt ist, bekomme ich notorische Angst vor dem strahlend weißen und vor allem leeren Bildschirm mit dem blinkenden Cursor. Was, wenn mir jetzt nichts Kluges oder Neues einfällt? Warum sollte man als Hobby-Schreiberling überhaupt in Konkurrenz mit den Texten von Stella Sommer treten? Absurd. Ist nicht schon alles gesagt? Da wäre es ja fast schon schön, wenn einem das Album rein gar nichts gibt und man nichts darin sieht, um überhaupt erst in Versuchung zu geraten, das zu schreiben, was einem bei Alben von Die Heiterkeit nur allzu schnell von der Hand geht: Sentimentaler und zärtlicher Pop, gepaart mit Lyrik vom Feinsten, geprägt und getragen von einer unsagbar eindringlichen Stimme, begleitet von eingängigen und liebevoll komponierten Melodien.

Notiz an mich selbst. Vermeide beim Schreiben der Rezension folgende Pauschalaussagen oder Formulierungen, an denen sich deiner Meinung nach in den kommenden Jahren ohnehin nichts ändern wird und über die eigentlich auch niemand mehr etwas schreiben braucht:

1) monumentale Stimmgewalt
2) sprachliche Raffinesse
3) Fähigkeit Texte in ausdrucksstarke Formen zu gießen
4) dass deutsche Sprache wunderschön und lebendig sein kann
5) dass dies in Texten mündet, die wir sonst nur alle paar Jahre von Tocotronic gewohnt sind
6) überhaupt die Vermutung, das Stella Sommer die feminine Inkarnation von Dirk von Lowtzow sein könnte
P.S.: Versuch bitte nicht vor lauter Verzweiflung oder gar Frust heraus, irgendetwas schlechtes an dem Album zu finden.

Was mir dann passiert ist, ist ziemlich dumm. Denn über was zur Hölle soll man nun überhaupt noch schreiben? So gesehen wird es für mich bestimmt ein furchtbares Album sein. Vermutlich ist es wie immer makellos schön, elegant, theatralisch, melancholisch, tiefsinnig oder der Abwechslung willen sogar ein wenig heiter? Ha, das wäre doch wenigstens eine witzige Anekdote, bei dem Band-Namen! Machen wir uns nichts vor, das Gesamtkunstwerk um Stella Sommer herum wird mit jeder ihrer Neuveröffentlichung besser, reifer, raffinierter. Und höchstwahrscheinlich wird es rein gar nichts zu nörgeln, nichts zum aussetzen geben. Es sei denn, jemand würde plötzlich anfangen billige Casio-Keyboard Samples in die Stücke integrieren. Aber hey, wer würde schon auf solch eine absurde Idee kommen? Niemand. *)

Bleiben mir also die paar nüchternen Fakten, die mir vorliegen. Zum Beispiel, dass „Was passiert ist“ das nunmehr vierte Album der Band ist – einer Band, die übrigens nicht mehr in ihrer ursprünglichen Formation existiert. Bis auf Schlagzeuger Philipp Wulf vielleicht und natürlich Sängerin Sommer selbst. Man liest, dass der Produzent selbst Hand anlegte um die Bass-Saiten zu zupfen. Unter der Regie von Genie Moses Schneider sind insgesamt elf Pop-Stücke entstanden, die fast gänzlich ohne die ansonsten obligatorische Gitarre auskommen und stattdessen viel mit flächigen Keyboard-Sounds und Klavier vornehmlich durch Sommer selbst arrangiert wurden. Und man kann wohl Jérome Bugnon (Seeed) Posaune spielen hören. Ich bin gespannt. Für mich geht es jetzt ab im Internet-Stream zum Schafott.

Was dann passiert ist, glaubt mir kein Mensch. Ich drücke Play und entzückende Melodien füllen den Raum. Das Album öffnet schon zu beginn derart stark mit atemberaubend lyrischen Texten in „Was passiert ist“. Vorgetragen mit kolossaler Stimme und einem derart sprachlichem Geschick, das sämtlichen Formulierungen Leben einhaucht, wie die Frühjahrssonne im hiesigen Blütemonat März. Diese sprachliche Findigkeit kennt man sonst nur von Tocotronic. Man könnte fast meinen, Stella Sommer sei leibhaftig die Inkarnation (…) Und nun gehen Sie endlich und kaufen dieses großartige Pop-Album. War doch eh klar.

*) Im Ernst, wer hat sich dieses deplatzierte Cowbell-Handclap-Gebimmel im Stück „Das Wort“ ausgedacht? Fürchterlich! Mehr gab es nicht auszusetzen. 4,99/5 Sternen, gerne wieder.

14.03.2019 Münster – Sputnik Cafe
15.03.2019 Köln – Artheater
16.03.2019 Schorndorf – Manufaktur
17.03.2019 Freiburg – Slowclub
18.03.2019 Karlsruhe – P8
19.03.2019 (CH) Zürich – Bogen F
20.03.2019 München – Strom
21.03.2019 (AT) Wien – Fluc Cafe
22.03.2019 (AT) Salzburg – Arge Nonntal
23.03.2019 (CH) St Gallen – Palace
24.03.2019 Nürnberg – Z -Bau
26.03.2019 Dresden – Societaetstheater
27.03.2019 Leipzig – Werk2
28.03.2019 Frankfurt – Mousonturm
29.03.2019 Hamburg – Uebel & Gefährlich
30.03.2019 Berlin – Lido

VÖ: 01. März 2019 via Buback Tonträger