Text: Julian Neckermann, 31. Mai 2018

Als 2008 eine maskierte, ihre wahren Identitäten verschleiernde Gruppe aus Schweden plötzlich aus dem Untergrund der Musikwelt auftauchte, ging ich noch von einer recht kuriosen Ausgeburt desselben aus. Eine Band, bestehend aus „nameless ghouls“, gewandet in, mit satanischer Symbolik aufgeladene, Habiten; eine erotisch-teuflische Texte singende Pervertierung des Papstes als Frontmann – und entgegen einer anzunehmenden Verwurzelung im Metal-Genre sich eher quer dagegen stellend; da setzt sich die ikonisch-symbolische Pervertierung gleich in der ganzen Spielart der Musik fort: Zu hören bekommt man auf dem 2010er Debütalbum „Opus Eponymous“ und auf dem „Infestissumam“ betitelten Nachfolger 60er Psychedelic Rock und Doom der 70er mit einer gehörigen Portion Surf und wahnsinnig eingängigem Abba-Pop. Und dann erscheint 2015 „Meliora“ was dem ganzen Brei noch NWOBHM hinzufügt – und ab da war dann irgendwie der Hype in vollem Gange. Das ist jetzt alles sehr verkürzt dargestellt, aber ich dachte mir nur: „Huch!“

Auf jeden Fall steht jetzt schon wieder ein neues Album in den Startlöchern. Die Identitäten sind mittlerweile aufgrund eines unschönen gerichtlichen Streits über Tantiemen bekannt und leider ist damit, zumindest für mich, eine aufregende Komponente des Gesamtkunstwerkes Ghost flöten gegangen. Weil hier geht es mitunter tatsächlich nicht nur um die Musik, die zweifelsohne eingängig und unterhaltsam ist. Aber so richtig Spaß macht das Ganze erst, wenn man sich daran macht die unzähligen Querverweise zu entschlüsseln. Wild und freudig wird nämlich nicht nur die Musikgeschichte ab der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zitiert, sondern auch Film- und Populärkultur. Erst in Verbindung mit den Liveshows, eine Mischung aus Schwarzer Messe und Rocky Horror / Burlesque-Show, entsteht dieses Faszinosum. Ich denke am Ende ist es ein ganz klarer Fall von „Entweder hasst man diese Band, oder man liebt sie“, findet man das ganze Drumherum und Getue lächerlich, oder einfach extrem unterhaltsam.

Man muss allerdings konstatieren, dass die Musik aus der Feder von Tobias Forge (das ist nämlich das Mastermind hinter der ganzen Geschichte) unbestreitbar höchstes Hitpotential besitzt. Das ändert sich nun auf „Prequelle“ auch nicht. Man bewegt sich musikalisch noch ein paar Jahre weiter in die 1980er und beginnenden 1990er, hört jetzt Toto, Blue Öyster Cult, noch mehr King Diamond, noch mehr Pop und überhaupt noch mehr von allem. Das ist geradliniger und konsistenter als auf den Vorgängern, aber auch glatt gebügelter. Klar, es tummeln sich wirklich klasse Songs mit unverschämt infektiösen Refrains („Rats“, „See the Light“, „Faith“), aber es finden sich immer wieder auch regelrechte Schnarchnummern – da geht das Ganze schon etwas übers Zitieren hinaus, erscheint es einem, das genauso schon mal gehört zu haben („Pro Memoria“, „Dance Macabre“, „Witch Image“).

Herr Forge weiß auf jeden Fall ganz genau, welche Pop-Register er ziehen muss, um am massentauglichsten und erfolgreichsten zu sein – ich denke, so ein talentierter Musiker und Sänger (!) er auch ist, mag er ein ebenso gerissener Geschäftsmann sein. Was ihm schon wieder ganz gut zu Gesicht steht, gibt ihm das Ganze schon wieder ein luziferisches Kalkül.

VÖ: 01. Juni 2018 via Spinefarm Records