Text: Matthias Eichler, 22. Oktober 2020

Und nun endlich mal wieder News aus Prag, die nicht um die Tipps zur Beschaffung von verboten hohem thujon-haltigen Absinth geht. Vielleicht mehr um derartig geistesverwandte Wirkung, die Golden Spine mit ihrem neuen Video „Mahamritunjaya Mantra“ schöpfen und in uns hinterlassen. Eine spirituelle Führung durch die eigene Seele.

„Mahamritunjaya Mantra“ – übersetzt „Großes Tod besiegendes Mantra“ – ist ein Vers aus dem Rigveda, also einer der älteste Teil der heiligen Schriften des Hinduismus. Sowieso geht es bei Golden Spine hauptsächlich über die kostenlose innere Selbstbeschaffung von positiver Energie, innere Ruhe, Selbstfindung und reinigende Wirkung sowie reges Interesse der hinduistischen Mythologien.

Ihr neues Video (gedreht von Petr Tomaides) ist auch die Single ihres im Mai dieses Jahres herausgekommenen Debütalbums „Universal Prayer“, ein Album, dass auf Konzentration und Verbindung abzielt; ein kollektives, meditatives Werk bei dem verschiedene Musiker mitgewirkt haben, unter anderem Mitglieder von Swans, Silver Jews, Lambchop und Dallas Acid.

„Mahamritunjaya Mantra“ ist eine mythologische Leistung mit vielen bedeutungsschwangeren Szenen. Jede Farbnuance hat ihre Grundlage und jede Geste ihren Ursprung. Unter der Ägide vedischer Mantren bewegen sich beide Köpfe der Band , Andrea Knotková (Iamme-Yoga) und Vaclav Havelka III (Please The Trees) hingebungsvoll durch das Video und scheinen sich mit nebulösen Riten in eine Art Trance zu versetzen. Es beginnt eine sich anschmiegende und abstoßende Szenerie zwischen den beiden Protagonisten- Symbiose und Antibiose tanzend, liebkosend, verfluchend um ein helles Feuer in einem nebulösen Wald zwischen Säulen heiliger, vergessener Stätte. Klanghölzer, Tambourines, leicht begleitende Gitarre ohne Schnickschnack, Klangschalen, Schellen, Glockenspiele, all das türmt sich zu einem unverfälschten, ehrlichen und genuinen Ballast-Befreiungsschlag. Bewaffnet mit einem alten Sichelmesser und geschmückt mit einem (abgeschlagenen Gliedmaßen versehenen) Knochengürtel, tanzt die schwarzbemalte Knotková tranceartig um den ganz in blaue Farbe tragenden, leicht bekleideten Vaclav Havelka III, verwünschend und verlockend.

Während das Blau eine der wichtigsten Formen des Göttlichen im Hinduismus (Shiva) darstellt und als die Manifestation des Höchsten gilt, sieht sich die Farbe Schwarz im Hinduismus eher der Dunkelheit, Schwere, Lethargie hingezogen und steht für Kali- die schwarze Göttin. Ähnlich wie das chinesische Yin und Yang Prinzip stehen auch hier die Beiden für polar einander entgegengesetzte und dennoch aufeinander duale Kräfte, die sich manchmal zu bekämpfen scheinen, sich im Grunde jedoch ergänzen.

Und tatsächlich erzeugt dieses 4:42 Minuten lange Video ähnliche Gefühle wie eine Rückensession mit einer Shaktimat-Akupressurmatte, nur halt für die Seele- erholsam, entspannt, stressvergessend. Streben nach göttlicher Energie, die die Wirklichkeit als Ganzes umfasst und alle Gegensätze in sich vereint. Ein scheinbar Äonen altes Streben. Und hinter all den Mantren und Riten, Selbstfindung und Verwirklichung, Mystik und Tantra-Lehren will Andrea Knotková wohl lediglich ihrer Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Welt doch ein guter Ort ist.

Und da das mit der Hoffnung so eine Sache ist und ich ungern mit einem passend-berühmten Alexander Gralla Zitat aufhören möchte, kann ich auf jedenfall jedem/jeder da draußen, der/die einem umfangreichen Peyote-Experiment-Abend nicht abgeneigt ist, dieses Video bzw. ihr ganzes Debüt-Album „Universal Prayer“ ans Herz legen. Ihr werdet wahrscheinlich nicht das finden was ihr euch wünscht, aber ganz vielleicht euch selbst.

VÖ: 26. Mai 2020 via Underflow Records / Stoned To Death Records / Poli5