Text: Stefan Killer, 04. Dezember 2020

Das Wort Supergroup will Gone Is Gone weder hören noch lesen. Dafür tragen die Mitglieder der Gruppe dick auf, wenn sie zum neuen Album verlauten lassen, sie seien über Genres – ja, gar die Grenze zwischen Ton und Bild – erhaben. Dort, im digitalen Äther, zwischen Abtastraten und Pixelzahlen, entstand „If Everything Happens For A Reason…Then Nothing Really Matters At All“, oder anders: Eine Dekonstruktion des Pop.

Bei Gone Is Gone scheint es seit Jahren, als könne keines der vier Mitglieder den nötigen Elan an den Tag legen, um dem Wort oben gerecht zu werden. Und das, obwohl die identitätsstiftende erste EP schon 2016 die Musikwelt aufhorchen ließ: Filmtrailer-Komponist Mike Zarin, Tony Hajjar (Schlagzeug), Troy Van Leeuwen (Gitarre) und dessen Namensvetter Sanders (Gesang, Bass) machen und veröffentlichen Musik – per se schon mal spannend. „Gone Is Gone“ diente als grober Entwurf für den Feinschliff, der in Form des Debütalbums „Echolocation“ ein Jahr später folgte. Schon seit diesen frühen Tagen spielt die Band mit Erwartungshaltungen. Weltweite Tourneen bleiben bis heute – nicht nur wegen Corona – aus, eine musikalische Linie ist kaum zu finden. Was also groß erwarten?

Gone Is Gone will es so: nichts. Und alles. Denn „If Everything Happens For A Reason…Then Nothing Really Matters At All“ funktioniert nur so. Wer den gewohnt drahtigen Gitarrenklang und basserfüllten Druck („Everything Is Wonderfall“) der Hauptbands der Mitglieder fordert, bekommt sie – wenn auch nur in kleinen Dosen. Wer sich gerne in interstellarer Filmpoesie („Crimson, Chaos and You“) suhlt, kommt auf den Geschmack. Doch wer Sinn und Struktur in Wiederholungen und Refrains sucht, sollte sich auf den Griff zur Single „No One Ever Walked on Water“ beschränken.

Die Band ist nichts, Musik ist alles

Wieso Gone Is Gone keine eindeutige Signatur im digitalen Äther hinterlässt, liegt an eben diesem. Die Musikwelt ist seit Beginn der Digitalisierung größer und zugleich greifbarer denn je. Das macht sich die Band zunutze. Vollzählige physische Treffen lassen sich offenbar an einer Hand pro Jahr abzählen. Dabei entstehen aus Jams musikalische Skizzen – diesmal mehr mit Synthies und weniger klassischer Rockbesetzung. Die Resultate nimmt jeder mit ins jeweilige heimische Studio. So kommt es, dass die Band keine Gewissheit ist, aber auch niemand deren Chancen missen will.

Da wäre zum einen der klare Fokus auf den Songs und deren Visuals statt auf personellem Status. Die Band versteht sich als nichts, die Musik ist alles. Und so war es laut eigener Aussage geplant:

Schlussendlich war das Ziel, Songs zu schaffen, die von allen vier oder von einem allein als elektronisches Format gespielt werden können.

Gone Is Gone dekonstruiert mit „If Everything Happens For A Reason…Then Nothing Really Matters At All“ die Idee des Pop. Also auch die Idee des Künstlers, der sich um die Welt bewegt, um mit Musik die Massen zu bewegen. Stattdessen: Songwriting mit Abstand, Rock zwischen Ambient und Industrial, poppige Experimente und Videocall-Promo. Zeitgeist getroffen.

VÖ: 04. Dezember 2020 via Clouds Hill