Text: Oliver Schröder, 23. November 2018

„Der ganze Weg, so lang er ist, wird in einer Zeit von höchstens vier Stunden zurückgelegt. (…) Bevor der Mond wieder in vollem Licht erstrahlt, müssen wir die Fahrt beendet haben.“

So beschrieb vor 400 Jahren der Astronom Johannes Kepler mit dem „Traum vom Mond“ das gleichsam märchenhafte wie realistische Bild einer Mondfahrt. Mit diesem mutmaßlich ersten Science-Fiction-Werk wollte er von der damals noch weit verbreiteten Vorstellung von der Erde als Zentrum des Universums abrücken. Um das zu erreichen, bricht Kepler in seiner Erzählung aus dem Althergebrachten aus und betritt im Traum eine faszinierende Welt voller fremder Wesen und Dämonen, die sich immerhin zum Teil bis heute bewahrheitet haben.

Jacco Gardner liefert mit „Somnium“ quasi den verspäteten Soundtrack zur phantastischen Reise: „This book fascinates me because it was basically Kepler travelling in his mind to a non-existent world while describing it, and his journey, with amazing detail.” Der mittlerweile in Lissabon lebende Künstler bringt mit seinem Album fast alles aufs Tableau, was sich mit dem Wort Retrofuturismus verbinden lässt. Cover und Opener erinnern in ihrer verstörenden Verschwommenheit noch sehr an David Cronenberg und beamen den Hörer in kürzester Zeit in ein musikalisches Planetarium. Hier treffen Synthpop, Ambient und experimenteller Krautrock aufeinander und vereinen sich zu einem geradezu cineastischen Erlebnis. Bei Kepler dauerte das ganze noch vier Stunden, Gardner schafft den Trip in gut 40 Minuten.

VÖ: 23. November 2018 via Full Time Hobby