Text: Nico Beinke, 16. Juni 2020

Ich hätte dieses Album viel eher von Jenny Hval, oder Jenny Wilson erwartet, als von der Frontfrau der Post-Punk-Band Savages, die durch ihr Styling, und einem eher starren Band-Image, bereits ein wenig vorbelastet schien. Der Post-Punk wurde hingegen durch Industrial-Tiraden ersetzt und der Opener „I am“ lässt gar die altersweise Joni Mitchell – zur Zeit von „Both Sides Now“ – hochleben.

Auf „To Love Is To Live“ werden die Erwartungen von Fans und Kritikern mit Füßen getreten, ebenso sämtliche Gender-Klischees – vielmehr zwingt Jehnny Beth verschiedenste Musikstile in ein Bad aus heißem Stahl. Industrial, Jazz, dröhnender Dubstep, sogar vorm Orchestergraben machen die elf Songs nicht halt. Was unvereinbar scheint, kommt endlich zusammen – Jehnny Beth machts möglich.

Stellenweise überfrachtet sie ihre Songs allerdings fast bis ins Manische, aber dies mit soviel Potential und Hingabe, dass ich gespannt bin, wohin es sie in Zukunft verschlägt. Das Tolle an Musik ist noch immer vor allem, die Möglichkeit starren Geschlechterrollen zu trotzen und ein jeder sein kann, was oder wer auch immer er sein möchte.

Don‘t tell me how it is, boys /
Cause I‘ve seen it all. — „The Rooms“

VÖ: 12. Juni 2020 via Caroline International