Text: Jan-Frederic Goltz, 15. September 2017

Bandnamen sind ja mitunter immer so etwas wie ein Statement oder gar Angeberei. Kommt vielleicht auch darauf an, ob der Name musikalisch interpretiert oder ausgelegt werden soll. Bandnamen können ja viel erzählen, ohne dass sie vorher den Mund aufgemacht haben. Ob sie dann auch halten, was sie versprechen, ist eine andere Geschichte. In diesem Text soll es um eine Band namens Love-Songs gehen. Liebeslieder sind vermutlich so alt wie die Musik selbst – worüber kann man sich auch sonst Ausdruck verschaffen, wenn es eben nicht politisch oder alltägliche Banalitäten gehen soll. Das hier ist neu. Hansestadt Hamburg, du kannst ja viel – aber so etwas habe ich selten von dir gehört.

Das Trio um Kokus, Korf und Chittka liefert mit ihrem Album „id“ eine konsequente und dabei durchaus innovative Weiterführung in Sachen des elektronisch angehauchten Krautrocks ab. Das meine ich völlig ernst: Innovativ, weil man das Gefühl hat, das technische Grenzen der damals jungen Elektronik-Pioniere aus den späten 70er oder 80er Jahren ausgehebelt, überwunden und raffiniert in das hier und jetzt überführt wurden. Konsequent deshalb, weil sie die düstere Grundstimmung jener Zeit mit einflechten und sie für sich neu interpretieren ohne dabei zu stark zu zitieren oder starr an einer altmodischen Genre-Epoche festhalten.

Taktgeber Chittka steuert mit seinen präzisen und teilweise komplexen und mehrschichtigen Rhythmen (Plateau) diesem Konstrukt einen lässigen Flow mit bei, während die weiteren Elemente von sphärischen Synthie-Flächen über runde Bassläufe oder partielle Gitarren-Fragmente stets rotieren, subtil variieren, flimmern, sich verschieben oder dahin schweben. Das alte Kraut von gestern – diese gelernten repitiven und nimmer enden wollenden Song-Parts, die irgendwann zur Monotonie verkommen – kann gar nicht erst hier wuchern. Korfs sporadisch, aber wohlplatzierte Lyrik und Sprache, fügt sich geschickt in das vielschichtige Klangbild der anderen Musiker ein – mal ist es ein Hauch (id), mal sind es reduzierte Sätze oder Wortfetzen oder konkrete Aussagen (Selbst die Randerscheinung), die inhaltlich erst wenig, dann plötzlich sehr viel Sinn ergeben. Da schwebt eine Tonalität mit, die dem ganzen unweigerlich einen schärferen Fokus und eine höhere Bedeutung zuweist, als eine von vorne bis hinten vollgesungene und bedeutungsschwangere Platte.

Die Lieder gleichen Bildern, die sich beim längeren betrachten zu bewegen scheinen (o.T. 2014). Bilder, die man auf anhieb nicht gleich versteht oder solche, bei denen ich mich bis heute Frage, ob Ohne Titel nicht doch auch nur ein Titel ist. Aber so ist das, immer muss man alles beim Namen nennen. Auch die Liebeslieder. Nun ja ich geb’s ja zu: Ich mag Liebeslieder. Besonders die, mit der „id“ und den Noten der Love-Songs.

VÖ: 15. September 2017