Text: Esther Sambale, 16. Oktober 2020

Hätte die Bildwelt in Edward Hoppers „Nighthawks“ einen Soundtrack, wäre „Serpentine Prison“, das erste Solo-Album des The National-Sängers Matt Berninger, eine würdige Untermalung. Einsamkeit, Entfremdung, verlorene Lieben, schwindendes Selbst und zwischen allen Zeilen präsent, die großen Gefühle, Angst und Traurigkeit.

Was düster erscheint, klingt auf „Serpentine Prison“, produziert von R&B-Legende Booker T. Jones, tröstlich-warm und dürfte vor allem Matt Berninger-Purist:innen begeistern. Denn obwohl zahlreiche befreundete Musiker:innen – darunter Andrew Bird und Gail Ann Dorsey – an „Serpentine Prison“ beteiligt waren, so ist es doch vor allem Berningers musikalisches Spiegelbild, das erscheint. In gefühlsmikroskopischer Songwriting-Manier vergrößert er seine Seelenpartikel und macht sie sichtbar in Zeilen wie „I am near the bottom / Name the blues, I got ‚em / I don’t see no brightness (…) in „Oh Dearie” oder „Don’t try to connect the dots anymore / Let ‚em go, they’re gonna do it on their own / Tell me that I’m not in this alone” in „Serpentine Prison”.

Um die vielen feinen musikalischen Schönheiten – Mundharmonika, Trompeten und Andrew Birds Violine… – zu entdecken, setzt man sich am besten hin. Allein mit der Musik und in Gedanken vielleicht in einer fast leeren Bar, an einer einsamen Straßenecke, in einer verlassenen Stadt. Frösteln muss in dieser thematischen Dunkelheit zwischen „Distant Axis“, „Loved So Little“ und „Take Me Out Of Town“ jedoch niemand. Im Gegenteil: “Most of my songs are love songs to myself or that champion me. They’re cheerleading songs for my own soul”, sagt Berninger im NME-Interview. Auf „Serpentine Prison” schafft er einen Raum, in dem Katharsis möglich ist.

VÖ: 16. Oktober 2020 via Book‘s Records