Text: David Maneke, 17. August 2018

Zugegeben, ein dezidiertes Sommeralbum ist „Stranger Today“, das Debütalbum der südenglischen Band Our Girl nicht. Stattdessen hat das Trio um Sängerin Soph Nathan (ebenfalls Gitarristin bei The Big Moon, so auch ab und zu im Gefolge von Marika Hackmann, siehe deren Video für „Boyfriend“) ein Album erschaffen, dessen atmosphärische Obertöne sich am Scheitelpunkt von bittersüßer Naivität bewegen. Mal bricht sich ein ganz zartes Pflänzchen von Optimismus Bahn, mal kippt die Stimmung in eine leichte, triste Betäubung.

Stilistisch bewegen sich Our Girl irgendwo zwischen Grunge, Shoegaze und Garagenrock, in der Instrumentierung stets bodenständig und ohne opulente Spielereien. Man muss dem Album allerdings die Zeit geben, die es benötigt. Das erste Hören kann eine Herausforderung sein, denn der Reiz von „Stranger Today“ ergibt sich aus dem Zusammenspiel eines souverän bespielten, ganz eigenen Soundteppichs, der dem Hörer Aufmerksamkeit für die feinen Unterschiede abverlangt und den subtilen, aber punktgenau gesetzten Highlights. Nach mehreren Durchläufen entdeckt der Hörer plötzlich immer neue Facetten. So überrascht der Refrain von „I Really like it“, von Sängerin Soph Nathan wundervoll hauchzart gesäuselt, mit einer Melodie, die dem Sound der Band gerade genug abverlangt, dass sie sich wunderbar einfügt.

Dominanter als die Suche nach der feinen Melodie ist auf dem Album aber ohnehin das Schwelgen im eigenen Stil. Denn dessen Grenzen haben Our Girl auf dem gesamten Album präzise herausgearbeitet – bei den Ausflügen ins Melodische verletzt kein einziger Song den wabernden Klangteppich, den sich die Band zu eigen gemacht hat. Musiker und Hörer können sich gleichermaßen in der getragenen Schwere verlieren, überhören im Soundgeflecht dann auch mal die Übergänge zu den nächsten Stücken und stellen irgendwann erstaunt fest, dass man inzwischen ganz woanders auf dem Album angekommen ist.

Die Facetten des Albums kulminieren dann im letzten Song, „Boring“. Als eine Art Quintessenz ihres Albums fangen Our Girl atmosphärische Schwerfälligkeit und melodische Nadelstiche ein, lassen in der Bridge auch mal zu, dass Drummerin Lauren Wilson ihrer Kreativität freien Lauf lässt und erzeugen mit Bass und Schlagzeug einen Spannungsbogen, der vom repetitiven Gitarrenspiels kontrastiert wird.

Um an „Stranger Today“ Spaß zu haben, muss man als Hörer auch ein wenig mitwachsen. Es bedient nicht die ganz großen Emotionen, es hält seinen Finger nicht mitten in den Puls der Zeit. Aber die Stilsicherheit mit der Our Girl sich hier ins Gespräch bringen, ist wundervoll unprätentiös, die atmosphärischen Schwingungen zart und sensibel. Man merkt, dass das Trio sich einige Zeit genommen hat, um einen eigenen und subtil-facettenreichen Musikstil zu finden. Dessen Grenzen werden auf „Stranger Today“ sehr genau ausgelotet. Man braucht Zeit für das Album, man kann sich dann aber auch ganz tief drin verlieren. Und somit ist die Veröffentlichung im August dann auch wieder klug gewählt: bis das Album wirklich angekommen ist, kann es gut und gerne Oktober werden – und genau dahin passt die Atmosphäre von „Stranger Today“ dann sehr gut.

VÖ: 17. August 2018 via Cannibal Hymns