Text: Lennard Göttner, 01. Oktober 2020

Warten. Warten darauf, wie sich sowohl die ganz persönliche Zukunft, als auch die der Gesellschaft gestalten wird. Warten darauf, dass populistische, hetzerische und rechtsextreme Meinungsmache ausstirbt. Und das Warten auf eine empathische Revolution. Wir haben einen Traum. Dass wir irgendwann alle in einer Welt leben werden, in der nicht wegen der Farbe der Haut, nicht wegen der sexuellen Orientierung und nicht wegen des persönlichen Glaubens, sondern nach dem wahrhaftigen Wesen des eigenen Charakters beurteilt wird. Eine Welt, in der gesellschaftliche Freiheit und politischer Frieden nicht wegen geographischer Grenzen gestoppt werden. Auch heute, 57 Jahre später, besteht dieser Traum, denn im Kern hat sich so gut wie nichts verändert.

Und während sich in diesen anfänglichen Zeilen ganz persönliche Themen, die mich beschäftigen und um die ich mich sorge, wiedergefunden haben, so hatten auch die Pillow Queens ihre ganz persönlichen Beweggründe für das Entstehen und die Veröffentlichung ihres Debütalbums „In Waiting“, die in thematischer Hinsicht alles Andere als fern sind. Die vierköpfige Formation aus Dublin präsentiert einen Longplayer, der in jedem Falle ein Statement ist und nicht vor der Thematisierung (lokaler und globaler) politischer und sozialer Missstände zurückschreckt.

Die Indie-Rock-Band veröffentlichte während ihres bisherigen vierjährigen Bestehens bereits zwei EPs, spielte unter Anderem als Support für Bands wie Two Door Cinema Club, Idles oder Future Islands und zählt nicht nur aufgrund des Gewinns des nationalen „Women Of The Year Award“ in der Kategorie Musik zur festen Größe der Szene. Irlands wohl dringlichste weibliche Künstlerinnen präsentieren mit „In Waiting“ in musikalischer Hinsicht ein außerordentliches Werk, bestückt mit erstklassigem Indie-Rock, melodischen Refrains und dynamischen Rythmen. Pillow Queens erinnern an bereits feste Größen wie Of Monsters And Men, Arcade Fire, The Shins oder etwa Death Cab For Cutie. Besonders die beiden Songs „Holy Show“ und „Child Of Prague“ liefern den wahrscheinlich klassischsten Indie-Rock, wenngleich die Kompositionen definitiv für sich stehen und auch im Nachhinein am prägnantesten und anziehendsten ins Gedächtnis springen. Das Album gönnt sich mit Songs wie „Brothers“ oder „Donaghmede“ immer wieder ruhigere Momente, nimmt Tempo raus, während Songs wie „Liffey“ fuzzigem Garage-Rock gleichkommen.

Pillow Queens liefern mit dynamischen Kompositionen und kluger Lyrik ein bemerkenswertes (Debüt-)Album, das in jedem Falle hörenswert ist. Zeilen wie “Well, I won’t worry about the gay girls. I pray for them when I wring my hands. Marie, Marie, Maria, tell me where to find you when I lose my way.” sorgen besonders in einer streng katholischen Gesellschaft wie der Irischen für Aufsehen und Kontroversen. Das Quartett schreckt davor jedoch nicht zurück. Im Gegenteil. Ereignisse rund um den Globus, die den mündigen Bürger erschüttern, schüren Feuer in den Köpfen der vier Künstlerinnen, denen der Kampf gegen soziale Missstände und fehlender Gleichberechtigung nicht fremd ist. Dublin besitzt eine aufregende Szene, die sich ständig und aktiv für Randgruppen einsetzt und sich mit jungen Menschen auseinandersetzt. Die Werke der Pillow Queens erklingen laut und eindrucksvoll. Wir alle mögen eine Zeit lang in Wartehaltung verweilen. Es hilft uns zu erkennen, Dinge ernsthaft und wahrhaftig anzugehen. Es hilft uns zu erkennen, dass Feuer genauso nicht mit Feuer bekämpft werden kann, wie Kriege mit weiteren Kriegen.

VÖ: 25. September 2020 via Stargazer Records