Text: Säm Wagner, 28. Februar 2020

Kurzer Blick rüber zur Wikipedia-Seite der Band: Wie bitte? „The Main Thing“ ist bereits das fünfte Album von Real Estate aus New Jersey? Wahrgenommen habe ich die Band erst seit zwei Alben. „Atlas“ entdeckte ich 2014 als mir „Had to Hear“ nicht mehr aus dem Ohr ging. Dieser federleichte Folksong landete in meiner Jahres-Best-of-Liste sofort ganz oben und gehörte auch in den Folgejahren auf jedes Mixtape.

Als 2017 dann „In Mind“ erschien, trieb ich mich gerade in Brooklyn, inzwischen die Heimat der Band, herum. Im Rough-Trade-Plattenladen kaufte ich die Platte ungehört. Auch dank des „plus Bonus Swag“-Aufklebers auf der Hülle. Seitdem ziert eine Real-Estate-Slipmat meinen Plattenspieler. „In Mind“ war die perfekte Platte für einen sonnigen Sonntagvormittag: schlau, unaufgeregt, verspielt, leicht verdaulich. Manchmal vielleicht zu leicht verdaulich. Wunderschöne Folkmusik, die das Herz aufgehen lässt, doch manchmal einfach perfekt klingt. Trotzdem, wenn sie heute noch dann und wann auf dem Plattenteller (mit der Real-Estate-Slipmat) landet, dann fällt mir immer wieder ein, wie unterschätzt Real Estate waren und wie undankbar eine Welt ist, die dieser Band den großen Durchbruch verwehrt.

2020 sind Real Estate zurück. „The Main Thing“, Album Nummer fünf, klingt anders. Die Band um Sänger und Gitarrist Martin Courtney, geht ihre Songs jetzt komplexer an. Schielt mit Keyboard-Klängen und Disco-Streichern hinüber zum Too-slow-to-Disco-Yacht-Pop. Real Estate behalten ihre schwelgerische Verspieltheit, verlieren dabei aber in Experimenten und Songs mit Überlänge einen Teil ihrer Leichtigkeit. Trotzdem: Vielleicht ist das ja der Weg, um langfristig zu funktionieren. Das zu Perfekte lassen Real Estate hinter sich. Stattdessen beißt sich „The Main Thing“ nun mit Details im Gehörgang fest, die erst beim zweiten, dritten Hördurchgang erscheinen. Der Frühling kann mit seinen sonnigen Sonntagvormittagen beginnen.

17.06.2020 Köln – Luxor
22.06.2020 Berlin – Festsaal Kreuzberg

VÖ: 28. Februar 2020 via Domino Records