Text: Nico Beinke, 20. März 2020

Im Zusammenhang mit Paul Webbs Schaffen für Talk Talk, und als Rustin Man gemeinsam mit Beth Gibbons von Portishead, findet sich nicht ein einziger Song für den Webb die Lead Vocals eingesungen hatte. Tragischerweise bedeutet dieser simple Fakt, dass er nun – als Rustin Man solo – gesanglich gegen solch renommierte Konkurrenz, wie die eben erwähnte Beth Gibbons und den unsterblichen Mark Hollis, antreten muss/darf. Konkurrenz zwar nicht im eigentlichen Sinne natürlich, aber absolute Jahrhundertstimmen, durch die Webb selbst unsterblich wurde, als Bassist von Talk Talk und durch „Out of Season“ (Beth Gibbons & Rustin Man). Also mutig genug nun höchstselbst das Mikro in die Hand zu nehmen.

„Clockdust“ kommt dem 1989er Meisterstück „Spirit of Eden“ – mit seinem obskuren Instrumentarium und dem (zumindest noch rudimentär vorhandenen) Vorhaben Songs zu schreiben, die gerade noch als solche durchgehen – einigermaßen nahe. Ich fühle mich an „Blackstar“, dem letzten Bowie-Album und an Ryan Goslings und Zach Shields Band-Projekt Dead Man’s Bones erinnert. So als ob der große Bowie in die Gruft zum Jam eingeladen hätte und dabei zwischen Dub und Jazz prinzipiell alles erlaubt ist.

Nur greifbar darf es nicht sein. Es kommt aus der Gruft, klingt auch so und dorthin verschwindet es wieder. All das vereint das siebenminütige „Night In The Evening“. Bis zur letzte Minute von „Clockdust“ wartet der Hörer auf das Gefühl, sich in diesem Soundkonstrukt zu finden. Aber entweder kommt es nie, oder es wird ein sehr weiter Weg bis dahin. Dieses Album ist eine wahre Herausforderung, es ist obskur, merkwürdig und mysteriös, aber das waren Talk Talk ebenfalls schon. Wer Lust auf einen längeren Spaziergang im dichten Nebel hat, darf sich jetzt anschließen.

VÖ: 20. März 2020 via Domino Records