Text: Oliver Schröder, 14. Juni 2019

Kleines Album, große Emotionen: Was Misha Lindes da in 34 Minuten an Herzblut auspackt, ist manchmal fast zu viel des Guten – aber eben nur fast. In der Gegenprobe bedeutet das, dass es sich bei SadGirls Debütalbum um einen altmodischen Schmachtfetzen handelt, der die Klaviatur der Gefühle wunderbar weit auslotet.

Wasser stellt dabei eine raffinierte thematische Klammer dar, die Liebende und Herzgebrochene immer schon zum Schwelgen verführt hat: von Venedigs Canal Grande über die Goldküste Kaliforniens bis zum ersten Kuss am Hertener Ewaldsee. Wasser sorgt seit jeher für Amore und deren unabsehbare Folgen. Und welche Musik ist besser dafür geeignet als zartschmelzender Soulpop? SadGirl orientieren sich dabei mit Wilson Pickett, Sam Cooke und allen voran Otis Redding an den ganz Großen des Genres. Ein bisschen musikalische Melodramatik, garniert mit karibischen Gitarrenklängen, hat noch jeden tristen Alltag mit Leichtigkeit in eine wunderbar melancholische Coming-of-Age-Story verwandeln können.

Zehn Songs lang geht es ausdrücklich mal nicht um globalpolitische Belange, sondern nur um so altmodische Themen wie das Spiel mit dem Feuer, der Flucht ins Ungewisse und immer wieder um das Gefühl, von dessen Unergründlichkeit schon Shakespeare fasziniert war: „Liebe ist tief wie das Meer“, schrieb er und lieferte damit die Vorlage für ein ganzes popkulturelles Universum. Das sollte sich in den folgenden Jahrhunderten daran abarbeiten und ist noch längst nicht damit fertig. Mit „Water“ ist dazu ganz klein am Rand ein neuer funkelnder Stern aufgegangen.

Und wer nicht jetzt nach diesen Zeilen oder allerspätestens beim Meeresrauschen am Ende des Titelstücks von einer lauen Liebesnacht am Strand träumt, für den wird es diesen Sommer wohl auch sonst nichts mehr mit der Urlaubsstimmung.

VÖ: 14. Juni 2019 via Suicide Squeeze