Text: Christian Selzer, 26. Februar 2019

Stagnation als künstlerisches Prinzip: Während Großbritannien immer mehr von Europa wegdriftet, bleiben die Sleaford Mods auch auf ihrem fünften Album bei ihren gewohnten Mitteln aus Dosen-Beats und derben Tiraden. „Eton Alive” platzt mitten hinein in den Brexit-Taumel und beweist, dass derzeit niemand glaubhafter den britischen Working-Class-Ethos vertritt als das Duo aus Nottingham. Eröffnet wird der Klassenkampf bereits mit dem Albumtitel, der direkt die erste Schelle an das politische Establishment verteilt. Schließlich war es die Eton-Elite um Brexit-Befürworter Boris Johnson und Co., die das Land mit geschliffener Rhetorik und nationalistischen Zündeleien an den Rand des Abgrunds trieb.

Der Opener „Into the Paywall” startet mit einem herzhaften Rülpser und spätestens hier dürfte klar sein, dass die beiden schlechtgelaunten Ü40er ihre Kinder nie auf eine piekfeine Privatschule schicken würden. Zur Daddel-Bassline aus den 8-Bit-Tiefen von Fearns’ Antik-Laptop prangert Williamson seine Zeitgenossen an, die den Sinn des Lebens im blinden Anhäufen von Konsumgütern suchen. Ihr Zielfernrohr lassen die Schepperpunker in „Kebab Spiders” aber auch durch die eigenen Reihen schweifen: Im East-Midlands-Akzent des Straßenköters bellt Williamson gegen „Bingo punks with Rickenbackers”, während der knarzige Kopfnicker-Bass eine Cabriorunde mit Flat Eric dreht. Übrigens: Wie es sich eine Kollegenschelte à la Sleaford Mods anfühlt, haben die Senkrechtstarter Idles vor ein paar Tagen erfahren: Für ihre Teilnahme an den Brit Awards gab es kübelweise Spott und Häme aus Nottingham.

Die Diagnose der Sleaford Mods über den Zustand der Welt fällt desolat aus. Zwischen all dem Pessimismus auf „Eton Alive” versteckt sich aber doch noch eine faustdicke Überraschung. In „When You Come Up To Me” nutzt Williamson das minimale Arrangement einmal nicht als Vehikel, um maximal Dampf abzulassen. Er erweitert das Spektrum der Sleaford Mods um eine Facette, die man in Zeilen wie „And you’d understand it would be / Something I don’t like when you come up to me” fast als verletzlich bezeichnen könnte. Trotz dieser sanften Zwischentöne ist „Eton Alive” das bisher dringlichste Album der Schepperpunker geworden. Die Alltagsbeobachtungen in den Songs spiegeln ungefiltert die Ohnmacht der Unterprivilegierten wider und das daraus resultierende Schwanken zwischen Wut und Resignation. Von ihrer Relevanz haben die Sleaford Mods auch nach über zehn Jahren nichts eingebüßt – selbst, wenn die Zornesader nicht mehr durchgängig pulsiert.

10.09.2019 Berlin – Festsaal Kreuzberg
11.09.2019 Berlin – Festsaal Kreuzberg
13.09.2019 Leipzig – Conne Island
16.09.2019 München – Backstage Werk
19.09.2019 Rostock – MAU
21.09.2019 Köln – Live Music Hall
22.09.2019 Hannover – Faust

VÖ: 22. Februar 2019 via Extreme Eating Records