Text: Oliver Schröder, 26. Oktober 2018

Anja Plaschg sampelt die Welt: Als Jägerin und Sammlerin streifte sie monatelang durchs akustische Unterholz, fand hier einen Ton, dort ein Geräusch. Klänge wurden angeordnet und neu arrangiert. Am Ende steht eine Musik, der man sich zunächst gar nicht zuzuhören traut. Erst recht nicht, wenn man sich umguckt, was ansonsten so da draußen passiert.

Als wären die zwölf Stücke nicht für Fremde bestimmt, fühlt man sich als Hörer fast schon unangenehm als Eindringling ertappt. Da ist diese verschwommene Linie zwischen unverhüllter Innen- und erbarmungslos-gieriger Außenwelt, die Soap&Skin eine seltsame Sonderstellung im Regal verleiht. Eigentlich gehört sie neben Cat Power und Grouper, aber man möchte die Platte am liebsten unter dem Kopfkissen aufbewahren.

Plaschg komponiert so, wie andere Räume einrichten: eigenwillig ästhetisch, mit einem eigenen Konzept, das sonst für kaum jemand anders einen vollständigen Sinn ergeben kann. Es bleiben immer rätselhafte Leerstellen, ein privater Raum, der sich niemals ganz entschlüsseln lassen wird.

Meist schwermütig, manchmal fast himmelhochjauchzend, aber immer undurchdringlich spiegelt „From Gas to Solid / you are my friend“ eine andere, entschlossenere Soap&Skin wider, als jene, die sich 2012 mit „Narrow“ wie unter Schmerzen ihren Weg durch die Welt gebissen hat. Sechs Jahre lang lagen ihre Prioritäten an anderer Stelle: Theater, Film, Familie. Nun ist sie wieder da. Die Welt ist es immer noch, aber auch diese scheint mittlerweile eine andere zu sein. So kann ihr abschließendes Cover von „What a Wonderful World“ entweder als zynische Bestätigung ihrer langjährigen, düsteren Vorahnungen, oder als leiser Hoffnungsschimmer gedeutet werden. Vielleicht steckt in dem ganzen Wirrwarr aus Wut, Sensationslust und Gewalt ja doch irgendein Sinn. Soap&Skin scheint ihn gefunden zu haben. Auch, wenn es nicht danach klingt.

27.09.2022 (AT) Bludenz – Remise
28.09.2022 Berlin – Tempodrom
29.09.2022 München – TonHalle

VÖ: 26. Oktober 2018 via Pias