Text: Säm Wagner, 15. April 2020

Ihr gehört auch zu den Leuten, denen The Strokes nach den ersten beiden Alben ziemlich egal waren? Weil man zu ihren schmissigen Gitarren-Smash-Hits plötzlich keine Gin Tonics mehr auf der Indie-Disco-Tanzfläche verschütten konnte? Einen Tipp habe ich: Dann hört euch mal „Angles“ von 2011 an einem warmen Sonntagvormittag draußen in der Sonne an. Merkt ihr was? Stimmt. „Angles“ und auch der Nachfolger „Comedown Machine“ tragen die California Sun im Herzen, während The Strokes, allesamt Kinder aus gutem Hause, zu Beginn ihrer Karriere noch New Yorker Coolness, Garage-Rock, New Wave und Velvet Underground atmeten.

Und mit der Sonne im Herzen geht es im Grunde auch auf „The New Abnormal“ weiter. Ja, The Strokes haben wirklich ein neues Album aufgenommen. Hat jemand noch darauf gewartet? Lange dachte man, die Band sei inzwischen zerfranst, hätte es gar nicht mehr nötig, einen Lebenszeichen von sich zu geben. Doch, ja, es gibt neuen Output. Neun Songs, 45 Minuten. Ja, wer rechnet merkt: Wir sprechen hier von mehreren Fünfminütern. Einer Länge, die man von den stets auf den Punkt kommenden Strokes gar nicht gewohnt war.

Die Strokes haben 2020 ihre neue Liebe zum Synthesizer vertieft und noch mehr die Gitarren in der Ecke stehen lassen. Die Strokes klingen cheesy, gewitzt, verspielt. Bestes Beispiel „Booklyn Bridge to chorus“. Casablancas singt darin so schön passend:

And the ’80s bands? Oh, where did they go? Can we switch into the chorus right now?

Aber The Strokes kommen auf „The New Abnormal“ bei aller Verspieltheit am Ende immer auf den Punkt. Julian Casablancas wird auf „Not the same anymore“ zum Crooner, auf „Why are Sundays so depressing“ langweilt ihn wohl auch der Vormittag in der Sonne (siehe oben) und auf dem überlangen „Ode to the Mets“ starten The Strokes im Daft-Punk-Style bis Casablancas später zugibt: „I got it all“ und „I was just bored playing the guitar / Learned all your tricks, wasn’t too hard.“

Wem das zu dröge ist, der kann weiterhin seinen Gin Tonic auf der Indie-Tanzfläche verschütten. Wenn sie mal wieder offen hat. Fragt den DJ einfach nach „Bad Decision“ vom neuen Strokes-Album, der einzigen und aber genialen Reminiszenz an die alten Strokes.

VÖ: 10. April 2020 via Cult Records