Text: Jan Sturm, 28. Juni 2019

Mit „Anima“ – dem jetzt erhältlichen Thom Yorke Solo Album – schafft sich der Radiohead Chef zum dritten mal sein eigenes musikalisches Paralleluniversum zum übergroßen Bandprojekt. Ein künstlerischer Raum, der die Krisen der erodierenden Welt um uns herum beobachtet und bewertet. Durch Phasen von Angst und Blockade entstanden Ideen für Anima-Songs im Fast Forward entweder Live auf Tour oder im Studio, basierend auf Material, mit dem man sich bereits ein ganze Weile beschäftigte. Produziert wurde das Album einmal mehr von Nigel Godrich, Teil von Yorkes Supergroup Atoms For Peace. Erste Skizzen wurden von Godrich zu Loops und Samples eingefangen und im Anschluss mit Vocals versehen, um dann wieder in eine mehr oder (auch gern) weniger griffige Songstruktur gegossen, die durchwegs minimalistisch bleibt. Die Entstehung des Albums beschreibt Yorke auch selbst als ziemlich schnell erledigt.

„Anima“ klingt eben wie ein typischer Yorke Genre-Mix aus herumirrenden Shuffle-Beats der ganz trockenen Sorte, elektronischem Sampleschnickundschnack, Drones, gefühlt mehr Basslines als je zuvor und Yorkes Stimme, die meist die einzige menschliche Komponente im Ensemble zu bleiben scheint. Das Ganze schön geschüttelt, kommt es ohne Songschablone aus und schafft es dann trotz aller Windungen, dass schon kleinste Elemente eine klare Wiedererkennung auslösen. Ein leiser Beat, ein Gesangsschnipsel im fernen Radio aufgeschnappt …Moment das ist doch… Ja, ist er. Und auch wenn das Album – wieder mal – kein neues Radiohead Material ist, so orientiert es sich hörbar am Solovorgänger „Tomorrow’s Modern Boxes“ bleibt im Düsteren, ist dabei aber wesentlich zugänglicher als der Take on Horrorfilmmusik für „Susperia“ aus dem letzten Jahr. Es zeigt insbesondere, wie wichtig Yorkes Stimme, Lyrics, Aussagen für die Musik sind. Ein mahnender, klagender Thom Yorke, der den Finger in die Wunden dieser kaputten Welt legt, ist eine wichtiges Statement auf dem Weg in die Mitte des Zeitgeistes.

„Anima“ ist ab sofort digital erhältlich. Vinyl und CD folgen Mitte Juli. Ein 14-minütiger Kurzfilm (Regie von Langzeitcollaborateur Paul Thomas Anderson) mit drei Songs aus Yorkes Album und dem Sänger als Hauptdarsteller ist auf Netflix zu finden.

02.07.2019 Köln – Palladium
03.07.2019 Frankfurt – Jahrhunderthalle

VÖ: 27. Juni 2019 via XL Recordings