Text: Oliver Schröder, 25. September 2020

Die Liebe in den Zeiten der Corona: Hier kommt ein Kontrapunkt zur Weltlage. Erscheinungszeitpunkt und Sound ist mehr denn je ganz Thurston Moore. Für seine Verhältnisse ist „By The Fire“ fast schon berechenbar solide. Dabei wird der Virus nicht gänzlich ignoriert, es hört nur so an.

Keine Spur von Unsicherheit und Chaos. Der Sonic-Youth-Mitbegründer hatte sich fest in den Kopf gesetzt, das Album unbedingt wie geplant im Herbst dieses Jahres rauszubringen. Und hier sind wir nun: Die neun Stücke entstanden Anfang 2020 in einer Traumbesetzung aus Deb Googe (My Bloody Valentine), Jon Leidecker (Negativland), James Sedwards und Steve Shelley und zieht alle Register, die New-York-Noise zu bieten hat. Dabei ist es doch immer wieder erstaunlich, als wie langzeittauglich das Sonic-Youth-Konzept immer wieder erweist. Alleine im ersten Drittel fühlt man sich als alter Fan sofort heimisch. „Bull In The Heather”, „Sugar Kane“ oder auch „The Diamond Sea“ schweben wie unsichtbare Song-Yodas um die Stücke herum und verströmen die Macht vergangener Heldentage als man durch Lärmpop noch richtig für Aufruhr in der Indie-Disco sorgen konnte.

Heute sind es eher Liebeslieder, die an die Bedeutung eines jeden einzelnen erinnern wollen. Was heutzutage vom Punk halt übrig bleibt, wenn sich jeder plötzlich als Teil einer benachteiligten Randgruppe sieht. Denn während die radikale Ablehnung des Mainstreams längst von anderen gesellschaftlichen Gruppierungen gekapert wurde, entwickeln mittlerweile selbst Begriffe wie bildende Kunst, gesellschaftliche Verantwortung und Kreativität eine unheimliche Sprengkraft. Wenn alle wütend sind, hilft nur noch ein kühler Kopf. Oder Songs wie „Hashish“.

VÖ: 25. September 2020 via Daydream Library Series