Text: Stefan Killer, 29. September 2017

Mit „Evolve or Die“ wollen die drei Herren von Tigercub wohl gleich zwei Zeichen setzen. Erst heute erschienen und schon zeigt die EP, dass auch Pay-what-you-want-Veröffentlichungen auf Vinyl funktionieren: Die erste Pressung von 250 Stück war am ersten Tag der Vorbestellungen ausverkauft. Zugleich ist die Platte das erste aufgenommene Lebenszeichen der Band seit ihrem Debütalbum „Abstract Figures in the Dark“ aus dem Jahr 2016. Es vereint alles Gute, das alternative Musikgruppen während der Jahre kurz vor und nach dem Millennium zu bieten hatten. Ein Grund mehr, sich das Album noch mal genauer anzuhören.

„Burning Effigies“ steigt mit sanften Singer-Songwriter-Klängen ein, ehe ein verzerrt-instrumentaler Paukenschlag wachrüttelt. Der Hörer fühlt sich phasenweise wie in einen der lauteren James-Bond-Soundtracks transferiert, so stimmungsvoll ist der Song. Es folgt: „Memory Boy“, das mit seinem schwer-walzenden Bass den Hörer aus der Bond-Sphäre auf den Boden holt. Die „Ah ah ah ah“-Hookline des Sängers Jamie Hall und der Sound seiner Gitarre muten ähnlich (eingängig) an wie jene eines gewissen Joshua Homme. Der Break bricht dann typischerweise alles runter, um letztlich Platz zu schaffen für eine Art Minizusammenfassung des eben Gehörten zum erneuten Abnicken. Die sich lasziv-räkelnden Vocals von „Omen“ über Staccato-Drums gehen schnell über in eine dünn-klingende, aber doch dominante Alarmgitarre. Das eher minimale Gitarrensolo hätte auch Kurt Cobain so in den Sinn kommen können. „Migraine“ stampft dann dazu passend daher wie ein fies-grinsendes Grunge-Monster, das im Midtempo seinem chronischen Unmut in Seattle-Manier lauthals Luft macht. Das nicht einmal einminütige Interlude namens „Can You Here Me“ gibt anschließend Zeit, um Luft zu holen. Kurz gesagt, ist es ein Plattenhänger mit menschlicher Stimme.

Tief durchgeatmet, also weiter im Text: „Up in Smoke“ klingt wie ein loungiger Remix der ersten paar Songs und lockert die Stimmung mit etwas Hall, zunächst gediegener Perkussion und einem Gitarrensolo, das wohl am besten unter Palmen passt, wieder auf. Kurze Zeit später folgt der nächste stilistische Schnitt: „The Golden Ratio“ nimmt langsam mit Zerrbass und Drums Anlauf und springt dann kopfüber in die zweistimmige Psych-Sphäre, um sich, wie auf Droge, treiben zu lassen. Der poppige Höhepunkt des Albums ist „Control“: Die wohlig-melancholische Nachtstimmung, die nur vom noisigen Instrumental in der Mitte des Songs gestört wird, ehe man zum letzten „Inside I’m fighting but is not enough dying to survive enough life we both denied for so long“ missmutig und doch zufrieden heimschlendert. Dieses positive Downer-Stück hätte auch der junge Thom Yorke nicht besser umsetzen können. „Serial Killer“ zielt im Anschluss mit synthieartigem Bassgroove und trocken-crunchigem Gitarenlauf in Richtung seines nächsten Ohrwurm-Opfers. Der Wechsel von plötzlicher Stolperschlagzeug-Strophe und melodischem Alternative-Legato im Refrain in „By Design“ erinnert etwas an das Songwriting Matt Bellamys in den 1990er Jahren. Dann klopft der Titeltrack erst einmal an, ehe er mit kontinuierlichen Trommel-Achteln, Gitarre und monotonem Gesang in das Ohr des Hörers stampft. Die Refrain-Figur holt immer wieder von Neuem aus, was Abwechslung schafft zu den straighten Teilen. Tigercub baut den Song weiter auf, bis er zielstrebig und lauten Schrittes marschiert in Richtung… Naja, nichts. Das Klimax verläuft sich.  

Mit „Black Tides“ ist das modernisierte Millennium-Potpourri dann zu Ende. Der Song ist, passend zu seiner Rolle, eine Klatsch-und-Mitsing-Rausschmeißerhymne, die zum Schluss wohl auch noch den letzten Tigercub-Skeptiker „mit der Tide“ wegwäscht. Zum Glück überbrückt „Evolve or Die“ die Zeit bis zur nächsten LP.

Tigercub - Abstract Figures in the Dark (2016) Tigercub - Evolve or Die (2017)