Text: Julian Tröndle, 25. September 2020

Im Privaten ist Will Butler ein durch und durch politisierter Mann. Nachdem er im vergangenen Jahr in Harvard sein Masterstudium in Public Policy abschloss, tourte er quer durch die USA, um in Rathäusern mit den Verantwortlichen über Themen wie Polizeigewalt und Gefängnisreformen zu diskutieren. Es verwundert daher, dass der Arcade Fire Bassist auf seinem zweiten Soloalbum „Generations“ nur seltsam Reaktionäres zur Krise seines Heimatlandes beizutragen hat. Der Song „Hard Times“ beispielsweise bietet letztlich bloß Biedermeier-Zweisamkeit angesichts des Elends der Welt an („these are hard times, hard times / but I don’t care when I’m with you“), während „Close My Eyes“ die religiöse Innenschau als ernst gemeinten Ausweg aus einem diffusen politischen Unbehagen zelebriert. Entschuldigt wird diese Verdrossenheit dann auch noch mit einer überaus unglücklichen Zeile, die es hoffentlich nicht auf das Album geschafft hätte, hätten die Aufnahmen nur wenige Monate später stattgefunden: „it’s hard enough to breathe“.

Nun muss ein Pop-Album auch nicht zwangsläufig politische Lösungsansätze aufzeigen; vielleicht will Butler ja lediglich unser Mitleid. Doch selbst das mag trotz des pathosschwangeren Wehleids beim Hören von „Generations“ nicht wirklich aufkommen. Dies mag zum einen an Butlers Sprecherposition liegen: Der Schmerz eines weißen und platinschweren Stadion-Indie-Rockers bleibt – selbst wenn er in bebendem Vibrato vorgetragen wird – einigermaßen abstrakt. Und auch die größtenteils gutgelaunten Arrangements, auf denen er seinen Weltschmerz bettet, irritieren zunächst: Die Single „Bethlehem“ wirkt wie ein breitbeinig-rumpelndes Überbleibsel aus den „Suburbs“-Sessions, während an anderer Stelle gospelartiger Folk oder überschwänglicher Synth-Pop erklingt, wie man ihn bereits vom vorletzten Arcade Fire Album „Reflektor“ kennt.

Dass dieser stilistische Querschnitt durch das Œuvre seiner Stammband – von hemdsärmelig zu kühler Eleganz und zurück – nicht in fehlender Stringenz, sondern vielmehr in einem facettenreichen Pop-Album aufgeht, ist Butler wiederum als großes Kunststück anzurechnen. Und auch die Scheindiskrepanz zwischen Lyrics und Musik offenbart spätestens beim zweiten Hördurchlauf einen eigenartigen Reiz. So verzeiht man der Platte am Ende doch bereitwillig, dass sie keinen relevanten Beitrag zum politischen Diskurs bereithält. Auch Butlers selbst scheint sich dieser Tatsache bewusst, wenn er sympathisch selbstkritisch eingesteht:

What do I do? What can I do? The record asks that question over and over, even if it’s not much for answers.

VÖ: 25. September 2020 via Merge Records