Text: Michael Smosarski, 19. Februar 2019

Yann Tiersen hat ein Problem: Sich selbst. Der mittlerweile 48-Jährige hat sich mit dem Soundtrack zu „Die fabelhafte Welt der Amelie“ ein Denkmal gesetzt und entscheidend mitgeprägt, was in Frankreich als „Nouvelle Chanson“ bezeichnet wird – jene federleichte Musik, die traditionelle Akkordfolgen impressionistisch bricht und immer ein wenig traumtrunken wirkt.

Seine Melodiebögen und Harmonien sind ikonisch geworden – wodurch man sie heute fast als Klischee wahrnimmt, wenn man sie auf neuen Veröffentlichungen hört. Allerdings stellt Tiersen seine Pianolinien diesmal in einen spannenden Kontext. Auf „ALL“ verwendet er Field Recordings, um einen bestimmten Ort oder eine Szenerie vor dem geistigen Auge entstehen zu lassen. Beeindruckend gelingt dies bereits beim Opener „Tempelhof“: Man sieht Tiersen förmlich vor sich, am Klavier sitzend, auf den stillgelegten, überwucherten Rollfeldern in Berlin, umgeben von spielenden Kindern und Sonnenanbetern, an einem Sommertag.

Auch Erzählungen wie die folgende stellen die Musik Tiersens in ein völlig neues Licht: So war der Anstoß für das Album wohl eine Episode in den kalifornischen Redwoods, als der Musiker und seine Frau auf einer Radtour vor einem Puma flüchten mussten.

Was für ein scharfer Kontrast zur bruchfreien Schönheit dieses Albums! Denn auch mäandernde verzerrte Gitarren und Loops hier und da können nicht darüber hinwegtäuschen, dass Tiersens Musik im Kern vor allem makelloser Pop sein möchte.

06.03.2019 Berlin – Admiralspalast
07.03.2019 Hamburg – Laeiszhalle
08.03.2019 Düsseldorf – Tonhalle
13.03.2019 (CH) Luzern – KKL

VÖ: 15. Februar 2019 via Mute