Text: David Maneke, 31. August 2018

Zunächst zum Haar in der Suppe: Den Indiepop erfinden 1000 GRAM nicht neu. Ihren Sound hat die Band schon auf den ersten Alben gefunden und entwickelt ihn auf der neuen Platte nicht dramatisch weiter. Getragen wird „By All Dreams Necessary“ wieder vom Zusammenspiel der Gitarren. Hier und da findet sich ein Hintergrundchor, der dem Album eine gut bekömmliche Dosis an Pathos verleiht. Alles in allem ist ein unprätentiöses Indiepop-Album entstanden, zwar nicht ganz zweckrationalisiert, aber das will ja auch überhaupt keiner.

Vom ersten Takt an ist klar, dass die Mission von „By All Dreams Necessary“ nicht darin liegt, musikalische Innovativität zu bezeugen. Stattdessen konstruieren 1000 GRAM ein Tor zu unseren Erinnerungen. Denn Musik lässt Erinnern – und dieses Naturgesetz bespielen 1000 GRAM furios. Vom ersten Takt an wird der Hörer in eine nostalgische Melancholie versetzt und wer nicht aufpasst, findet in den bittersüßen Harmonien des Albums lang vergessene Jugendträume oder vielleicht den ersten Liebeskummer wieder. „By All Dreams Necessary“ ist ein wundervolles Album für jene Herbsttage, an denen alles ein wenig schwerer fällt als sonst, wenn gräuliche Tristesse den wiederkehrenden Kampf gegen die letzten Sonnenstrahlen erneut für sich entschieden hat. Und der geneigte Musiknerd wird sich des Gedankens nicht erwehren können, dass 1000 GRAM in den therapeutischen Mixtapes von früher eine gewichtige Rolle gespielt hätten, irgendwo zwischen den Pixies, den Smiths, Dinosaur Jr. Und The ______ (Beliebige Nuller-Indieband einsetzen).

Kurz zurück zum Haar in der Suppe: Die atmosphärische Verdichtung von Nostalgie in vier Minuten Indie ist die Songidee, in der sich die Band ganz offensichtlich seit jeher am wohlsten fühlt. Aber man ahnt, dass die Band ein wenig neugieriger in Richtung der Außengrenzen der eigenen Komfortzone gehen könnte. Manch ein Song des Albums wirkt inzwischen vielleicht ein bisschen zu sehr auf die Bedürfnisse einer erinnerungsfreudigen Hörergemeinschaft zugeschnitten. Auch mal was wagen, möchte man der Band zurufen, ihr könnt es bestimmt!

Und tatsächlich, bei „Dont Mind/Will Abide“ läuft die Band mal ein paar Schritte seitwärts. Es ist einer der unscheinbarsten Songs auf dem Album, geht beim ersten Hören durch die Lappen. Doch die sonderbaren Harmonien entfalten bei jedem Durchgang mehr Wirkung und Sänger Moritz Lieberkühn schlittert ein wenig durch den Refrain – aber das ist wunderbar! Vor allem bricht der Song die ambivalente Leichtigkeit des Seins der anderen Songs mit einer ungeahnten Rotweinschwere und fügt dem Album eine atmosphärische Facette hinzu.

Um nicht wenigstens klammheimlich ein wenig Gefallen an dem Album zu finden, muss man vermutlich eiskalt oder ein versnobbter Musikelitist sein. „By All Dreams Necessary“ ist ein zugängliches Album, in dessen melancholischen Nischen es sich sehr bequem machen lässt. Und möchte man der Band einen Vorwurf machen, dann eben der, dass die nostalgisch-melancholische Grundstimmung etwas zu routiniert in den Vordergrund gestellt wird. Aber, persönliche Meinung: von Zeit zu Zeit schadet das nicht. Und wenn ich mal in meine eigene Vergangenheit reisen will, dann darf der Soundtrack jederzeit von 1000 GRAM kommen.

30.08.2018 Berlin – radio eins Parkfest
11.09.2018 Mainz – Schon Schön
19.-22.09.2018 Hamburg – Reeperbahn Festival
21.09.2018 Berlin – Musik & Frieden (Unterholz am Oberbaum Festival)
23.09.2018 Köln – Blue Shell
16.10.2018 Leipzig – Cammerspiele (Cammer Concerts)
17.10.2018 München – Sunny Red
18.10.2018 Freiburg – Swamp
19.10.2018 Stuttgart – Cafe Galao

VÖ: 31. August 2018 via Staatsakt