Text: David Maneke, 18. März 2022

Mittlerweile ist Punkrock zu einer Herausforderung für Kritiker geworden. Da beobachten wir eine beträchtliche Szene, die seit einigen Jahrzehnten relativ wenig Veränderung durchläuft, sich ungern überzogenem Gefrickel hingibt, immer doch irgendwo auch einen Sinn außerhalb der Musik sucht und sich weitestgehend erprobter Mittel bedient, aber doch nach wie vor Meinungen provoziert. Es wäre bestimmt verlockend, endlich mal ästhetische Bilanz zu ziehen, den Punkrock irgendeiner popkulturellen Ästhetik zu unterwerfen und zu schauen, wo wir noch ein bisschen Relevanz finden – aber natürlich müssen wir dann auch wieder akzeptieren, dass jeder Gatekeeper den inhärent stimmigen Vorwurf des verfehlten Themas bemühen würde. Und wenn sie dann ein Gegenbeispiel zu all den stagnierten Spätprojekten der großen deutschsprachigen Knüppelpunks deutscher Nachwende-Historie brauchen, dann sollen sie tunlichst mit Acht Eimer Hühnerherzen um die Ecke kommen.

Und in der Tat stellt sich das Trio aus Berlin ja schon mit der bandeigenen Nomenklatur in eine gewisse Tradition. Da müssen wir beispielsweise einmal konstatieren, dass Sängerin/Gitarristin Apokalypse Vega einen ganz klassischen Punker-Künstlernamen gewählt hat; weiterhin ist natürlich auch der Bandname als Hommage an jene Punk-Tradition lesbar, die sich in einer tendenziell dadaistischen Grundhaltung gefällt. Und wenn wir schon diese formatbedingt unausgegorene historiografische Betrachtung anlegen, dann dürfen wir in aller Kürze konstatieren, dass Dada ein entscheidender Vorläufiger für eine gehörige Portion klassischen Deutschpunks war. Zudem heißt das Album halt einfach „Musik“ – das schwarze Quadrat der Namensgebung des deutschen Punks. Nichtmal „Musik für Arschlöcher“, sondern wirklich einfach nur „Musik“.

Und was machen wir mit all diesen Beobachtungen? Tja. Acht Eimer Hühnerherzen wollen uns vorgaukeln, dass sie offenbar immer noch nicht so richtig schlau aus der Welt geworden sind. Nach wie vor wird auf der Hintergrundfläche des modernen Lebens immer noch das unaufgeregte, ja Mittelmaß, nicht mal wirklich zelebriert, sondern eher einfach festgestellt. Da ist was anders, ich bin anders, das ist alles irgendwie eigenartig. Aber gut, is halt so, kann man jetzt auch nix machen. Ein zum Anachronismus ausgewachsenes Merkmal des deutschen Nullerjahre-Spartenhumors, wie er in den besten Tagen des Studio Brauns schon einmal gepflegt wurde: mitten in der Großstadt arbeiten wir uns am provinziellen Deutschland ab. Aber wenn man ein bisschen hinhört, dann ist das alles schon recht selbstsicher. Musikalisch bleibt die Band sich treu – kaum elektrische Gitarren, keine allzu großen Experimente. Der Gesang von Apokalypse Vega gehört in seiner Naivität zum Schönsten, was lange Zeit auf Deutsch gesungen wurde, und so ist das auch textlich – es werden keine exaltierten lyrischen Sprachspiele zelebriert, die Kraft der Texte liegt darin, dass sie so einfach, aber immer pointiert sind. Das ist eine rare Qualität deutscher Texte, die viel zu wenig geschätzt wird.

Es wäre zu reizvoll, „Musik“ als Glanzbeispiel für den aktuellen Status dessen heranzuziehen, was man als „Deutschpunk“ bezeichnet. Und es ließe sich bestimmt wieder mit komplizierten Historiografien rechtfertigen; am Ende aber müsste man aber vermutlich einen methodischen Anachronismus bemühen: Was bei Acht Eimer Hühnerherzen noch vom Punk übrig geblieben ist, dafür haben wir keinen zeitgemäßen Ausdruck mehr. Man könnte eine „Essenz“ anführen, meinetwegen eine Dada-künstlerische Attitüde, aber das ist doch alles so ausgelutscht, dass man um diese Argumentation lieber einen Bogen macht. Es braucht auch vielleicht gar nicht diese Einordnung, denn „Musik“ ist deutlich zu klug für diese Schablone. Dann ist man besser dran, sich einfach von Musik und Texten bezaubern zu lassen und vielleicht irgendwann zufrieden festzustellen, dass diese Band etwas ganz Besonderes ist.

VÖ: 18. März 2022 via Kidnap