Text: Christoph Walter, 27. Februar 2020

Immerhin die Eulen sind geblieben: Auf der Rückseite des Covers von Agnes Obels Debütalbum „Philharmonics“ war ein Uhu abgebildet, während eines der besten Stücke auf dem neuen Album „Myopia“ den Titel „Parliament of Owls“ trägt. Ansonsten hat sich viel geändert bei der Wahlberlinerin in den knapp zehn Jahren, die zwischen dem Erstlingswerk und der nun bereits vierten LP ins Land gezogen sind. Unglaublich populär ist die Dänin mittlerweile, was sich an lange im Voraus ausverkauften Konzerten zeigt, aber auch daran, dass „Myopia“ in Europa bei Deutsche Grammophon erscheint und in den USA bei Blue Note – also in der Oberliga der geschmackvollen Labels.

Was sich in der Zwischenzeit musikalisch getan hat bei Agnes Obel, lässt sich ebenfalls ganz gut im direkten Vergleich zwischen dem 2010 veröffentlichten Debüt und der aktuellen Platte festmachen. Auf dem Coverfoto von „Philharmonics“ blickt einen die Musikerin noch direkt an, auf dem dem Cover von „Myopia“ ist sie nur etwas pixelig wie von einem Bildschirm abfotografiert im Halbprofil vor schwarzem Hintergrund zu sehen. Weniger greifbar, distanzierter, rätselhafter also – ganz ähnlich wie die Stücke auf „Myopia“, die sich von den klassischen Songstrukturen und den warmen, organischen Klängen auf „Philharmonics“ doch recht weit entfernt haben. Großflächig angelegte Klangsphären sind inzwischen das Markenzeichen von Agnes Obel, Filmmusiken ohne bewegte Bilder. „Myopia“ ist größtenteils recht dunkel, kühl und manchmal auch etwas verstörend ausgefallen. Allen voran in „Drosera“, das mit seinem minimalistischen Klavierthema und den gezupften Streichinstrumenten das Unheil geradezu heraufbeschwört.

Welche Schaffensphase von Agnes Obel — zwischen „Philharmonics“ und „Myopia“ lagen mit „Aventine“ und „Citizen of Glass“ ja noch zwei weitere exzellente Alben — einem am meisten zusagt, muss jeder für sich selbst entscheiden. Aufregende Entdeckungen erwarten einen auf jeden Fall.

10.06.2022 Hannover – Theater am Aegi
11.06.2022 Berlin – Admiralspalast
19.07.2022 München – St. Matthäus Kirche
09.06.2022 Dortmund – Konzerthaus
16.07.2022 Leipzig – Parkbühne am Geyserhaus

VÖ: 21. Februar 2020 via Deutsche Grammophon