Text: Julian Tröndle, 12. April 2022

Immer dann, wenn mir der Sinn nach radikaler Erweiterung meiner – zugegeben – teils recht konservativen Hörgewohnheiten steht, höre ich die Sendung „Worldwide“ auf BBC6 mit Gilles Peterson. Seit mehreren Jahren schon verwandelt er mir mit seinen Sets aus rund um den Globus gehobenen, wunderbar weirden Tracks triste Samstag-Nachmittage in bewusstseinserweiternde zwei Stunden. Ein Künstler, dessen Schaffen mir vor einiger Zeit durch ebendiese Sendung auf den Radar gespült wurde, ist die des Londoner Saxophonisten und Spoken-Word Artists Alabaster DePlume: Eine Musik, weniger worldwide als other-wordly.

Auf dem neuen Doppelalbum „Gold“ verwandelt er seine bisher größtenteils instrumentalen Meditationen aus Saxophon, Kontrabass und E-Gitarre in eine eigenartig dialektische Musik, deren frei oszillierende Suchbewegung neuerdings von einer klaustrophobischen Endzeitstimmung heimgesucht wird – immer dann nämlich, wenn DePlume zu einer theatralischen, Scott-Heron-artigen Litanei ansetzt. Man sehnt den Moment regelrecht herbei, wenn der unheilvolle Gedankenstrom über die conditio humana, der ungefiltert seinem Hirn entweicht, endlich vom Mundstück des Saxophons gestoppt wird. Denn die Dämonen hausen hier in der Sprache; die Engel in goldenem Blech.

Nur im instrumentalen Spiel gelingt DePlume eine Aussöhnung mit dem Chaos und dem Elend der ihn umgebenden Welt; kehrt er zu Sprache zurück, hält der Wahnsinn wieder unvermittelt Einzug. In dieser Pendelbewegung wirkt die Musik auf „Gold“ – selbst ohne konkretes god-addressing – wie die einer ungut erleuchteten Endzeit-Sekte: Ein spiritual jazz ohne Erlösungsversprechen. Der traurige Frauenchor wird hier – anders als bei Alice Coltrane oder Pharoah Sanders – vom erdigen Bass und den Drums konsequent an den braunen Grund gebannt. Das titelgebende „Gold“ meint vermutlich mehr die marternden Ketten, wie sie in den Tracks „The Sound of my Feet on this Earth“ oder „Mrs Calamari“ die Musik erden, als das goldene Licht der anderen Seite. Und doch spuckt DePlume die Hörer*innen am Ende des Albums an einem Ort aus, der definitiv ein anderer ist, als der der Abreise. Nur Unbekehrte sehnen sich zurück.

05.05.2022 Hannover – Feinkost Lampe
06.05.2022 Berlin – Emmauskirche
07.05.2022 Dresden – Jazzclub Tonne
08.05.2022 (AT) Wien – Volkstheater
09.05.2022 (CH) Zürich – Moods
10.05.2022 (CH) Zürich – DJ Set @ Kaschemme
11.05.2022 (CH) Düdingen – Bad Bonn
12.05.2022 (CH) St. Gallen – Palace
16.07.2022 (CH) Lugano – Buskers

VÖ: 01. April 2022 via International Anthem