Text: David Maneke, 11. April 2022

„Gelb ist das Feld“ hat ein komplett pinkes Cover. Das ist der erste, nicht aber einzige Bruch, den Bilderbuch auf ihrem neuesten Album vornehmen. Und damit beginnt eine kleine Expedition, die über die Betrachtung des Verhältnis von Musik und Text untersuchen möchte, was es heißt, zeitgenössisch zu sein. Man kann durchaus ein Prinzip Bilderbuch imaginieren, dessen wesentlicher Faktor in stetiger Entwicklung liegt, kein Bilderbuch-Album hat jemals wie der Vorgänger geklungen. Ohnehin haben die Österreicher auch nur ganz am Anfang Genrekonventionen bedient; das bisherige Schaffen der Band entfaltet sich spätestens ab dem zweiten Album „Die Pest im Piemont“ erst zaghaft, später zunehmend selbstsicher, zu einer sehr individuellen Stilistik. Es ist gar nicht so einfach, dafür Worte zu finden; Wikipedia schlägt u.a. Art-Pop vor und das taugt vorerst zur Annäherung – und soll uns auch für „Gelb“ ist das Feld zum beschreibenden Wortkoffer gereichen, wenn wir uns nur kurz axiomatisch darauf einigen können, die Frage „Was ist Kunst?“ in anderem Rahmen zu beantworten.

Musikalisch klingt „Gelb ist das Feld“ recht organisch und vielleicht sogar ein bisschen zurückgenommener als vorherige Bilderbuch-Alben. Es geistert der Esprit alternativer Nullerjahre über der Musik, aber diese diffuse Leichtigkeit ist keineswegs epigonenhaft, sondern meisterlich aktualisiert worden. Komplementiert, und dadurch perfektioniert, wird das Album allerdings über die Texte. Maurice Ernst ist eh schon ein grandioser Texter, und auf „Gelb ist das Feld“ nochmal in Hochform. Die Musik weckt qua Erfahrungswissen Erwartungen an lyrische Topoi, die ganz und gar enttäuscht werden, nur um sie mit einem schmerzlich zeitgenössischen Habitus zu konterkarieren als ob das unwiederbringliche Vorübersein vergangenen Glanzes nun endgültig festgeschrieben werden müsste. Da ist es wieder, das Prinzip Bilderbuch – alles muss immer voran schreiten. Zur Untermauerung ziehe man den Refrain von „Nahuel Huapi“ heran:

Du und ich nackt im Nahuel Huapi / ist schon kalt baby, I can tell.

Während der erste Vers sich anfühlt, als wäre es eine exotische Sehnsuchtsfantasie irgendwo zwischen Wirtschaftswunderschlager und radiotauglichem Spätwerk ästhtetisch weitestgehend egaler Rockgrößen; ist der zweite Vers vollkommene, lakonische WhatsApp-Romantik. Ähnlich respektlos gehen Bilderbuch auch mit jenen gar nicht allzu alten Vorahnen heutigen Indie-Rocks um, etwa wenn in „For Rent“ die über Jahre gepflegte Homecoming-Topos gepflegte, ins kontemporäre Gewand gekleidete Heimatvision (vgl. dazu: Cinematic Orchestra – To build a home, wo „home“ als „place where i dont feel alone“ definiert wird) der Indierock – GenY geradezu unwirsch zur Seite gefegt wird:

Ich fahr zurück in die Stadt wo ich herkomm / doch wo ich herkomm kennt mich keiner also fahr ich zurück

Beide zitierten Passagen ist gemein, dass sie lyrisch vertraut beginnen, fast über gewisse popkulturelle Historizität verfügen. Eine Sehnsuchtsfantasie über einen argentinischen Bergsee ist im Jahr 2022 wirklich nur noch ironisch zu lesen, und auch das Homecoming-Topos ist wohl bekannt, wenn auch wenigstens nicht so völlig aus der Zeit gefallen. Maurice Ernst aber nimmt beiden Motiven jegliche Ernsthaftigkeit und entlarvt sie jeweils als überholte Farce – und über diese Dynamik wird „Gelb ist das Feld“ auf einmal zur Meditation über Aktualität.

Beim ersten Durchhören ist das Werk auffällig unauffällig, etwas geschliffen, man bleibt nicht mehr so zwangsläufig an dem großen Hit hängen, aber es ist ein Album der zweiten Ebene. Das Verhältnis zwischen Texten und Musik ist auf „Gelb ist das Feld“ funktional miteinander verwoben und kann auch nur im Zusammenspiel so wirksam sein. Denn ohne die Texte wäre „Gelb ist das Feld“ am Ende doch recht konventionell, ohne die Musik allerhöchstens (streng genommen ja ebenfalls schon aus der Zeit gefallener) entrückter Trap. Im Zusammenspiel aber entfaltet sich ein albumlanges Untersuchen der Kraft des Zeitgenössischen (Kill your Idols!); und auch wenn wir nach wie vor nicht beantworten wollten, was Kunst ist, so können wir sicherlich festhalten, dass die Kraft des Zeitgenössischen ein wesentlicher Antrieb von Kunst ist.

11.04.2022 Berlin – Philharmonie
19.04.2022 Wiesbaden – Kurhaus
20.04.2022 Köln – Philharmonie
20.04.2022 Köln – c/o pop Festival
21.04.2022 (AT) Salzburg – Festspielhaus
22.04.2022 (AT) Linz – Brucknerhaus
24.04.2022 (CH) Zürich – Kaufleuten
05.05.2022 (AT) Wien – Arena
06.05.2022 (AT) Wien – Arena
30.06.2022 (AT) Graz – Kasematten-Schlossberg

VÖ: 08. April 2022 via Maschin Records