Text: Maximilian Heß, 11. Februar 2022

Wer schon mal einen Fahrradunfall hatte weiß, dass daraus selten gutes entsteht. Oftmals sind blaue Flecken noch die angenehmste Folge eines unverhofften Rendevous’ mit dem Straßenbelag. Für den Musiker Constantine Anastasakis aka Blonder gilt das nicht. Für ihn war eine durch einen Fahrradunfall bedingte Auszeit Gelegenheit genug, mit dem produzieren anzufangen. Anfangs noch in erster Linie als Zuarbeiter für andere Produzenten wie Aaron Maine (Porches) und Loren Humphrey (Arctic Monkeys, Lana Del Rey) hat sich Blonder als Solokünstler etabliert. Mit „Knoxville House“ erscheint nun sein Debüt-Album.

Anastasakis schafft es, Erinnerungen an Noise- und Grunge-Granden der Neunziger zu wecken, ohne sie dabei zu imitieren. Der Refrain von “Teeth” klingt beispielsweise ein bisschen so, als hätte man eine frühe Nivana-Single mit J Mascis in einen Mixer geworfen und von King Krule produzieren lassen. Klingt unintuitiv? Mag sein, und tatsächlich ist „Knoxville House“ ein Album, auf das man sich einlassen muss. Zwischen Momenten, die mit Indie-Pop flirten, Melodien, die einen anstehenden Breakbeat-Wechsel befürchten lassen und Sounds die Zweifel wecken, ob der Gain-Regler noch Spiel gehabt hätte nistet sich „Knoxville House“ in eine recht diffuse Komfortzone ein.

Das klingt bei manchen Songs wie dem eigenartig hypnotischen “Need Again” super und macht Lust auf mehr. Hier klingt der Sound-Mix von Blonder mehr wie der Hipster-Bruder der WAVVES. Ironischerweise ist ausgerechnet der Folgesong “Reboot” ein Beispiel dessen, was passiert wenn Blonders Plan nicht aufgeht: Alle Elemente, wie die überzerrte Gitarre, der von Hall überlagerte Gesamtsound oder der repetitive und entrückt wirkende Gesagt ergeben eine Mischung, die wie ein konzeptloses Potpurri individuell guter Ansätze wirkt.

Es ist müßig, so in Produktionsdetails gehen zu wollen, aber viele der Schwächen, die Blonder hat scheinen auch davon zu rühren, dass Anastasakis möglicherweise eine Band als temperierendes Element gefehlt hat. Viele der großen Releases des Noise-, Grunge oder Indie-Pop kamen durch das Zusammenspiel verschiedener Impulse zusammen. Die bedingungslose Umsetzung einer individuellen kreativen Vision birgt nun mal das Risiko des sich Verennens. Um das nicht falsch darzustellen: „Knoxville House“ ist ein gutes Album, aber eher wegen Klang- und vereinzelt auch Song-Highlights, weniger wegen des kreativen Gesamtkonzepts. Aber am Ende ist es ein Debüt-Album, da muss man gewisse Kinderkrankheiten einfach erwarten. Das Fundament für einen spannenden neuen Act in dieser schon seit längerem etwas trägen Szene ist durch „Knoxville House“ auf jeden Fall gelegt.

VÖ: 11. Februar 2022 via Cool World Records