Text: Jan-Frederic Goltz, 08. Februar 2019

Aufrichtige Kommunikation scheint völlig aus der Mode gekommen zu sein. Niemand hat mehr die Muße für einen handschriftlichen Brief und wer zur Hölle macht sich eigentlich noch die Mühe in E-Mails auf korrekte Grammatik und Groß- und Kleinschreibung zu achten? Stimmt, macht die Autokorrektur. Schöne neue Welt. Auf der Straße hinterlassen sich die Menschen gegenseitig nur noch ausschweifende und mit Füllwörtern gespickte Sprachnachrichten, deren leere Worthülsen in ein Smartphone gestottert werden. Äh, Ehm, Öh. Dabei gibt uns der heutige Stand der Technik unendlich viele Möglichkeiten an die Hand, aufrichtig und charmant miteinander zu kommunizieren.

Schönster Träger von Inhalten ist seit jeher die Musik. Doch auch hier hält der Zerfall relevanter Aussagen Einzug. Dass das alles nicht aussichtslos sein muss, sondern noch zu retten ist, beweisen heuer glücklicherweise Botschaft auf ihrem Debüt-Album „Musik verändert nichts“ – und ich protestiere lautstark, denn Musik verändert und – welch Ironie – diese fünf erwachsenen Männer sind der lebende Beweis dafür, also hört ihnen mal gut zu.

Mittel ihrer Wahl im Kampf gegen besagte Worthülsen ist übrigens lupenreiner Gitarren-Pop. Sehr angenehm dabei ist, dass dieser ohne wütende Parolen auskommt. Niemand schreit einen hier an und es wird eine ehrliche und aufrichtige Kommunikation geführt. Auf zehn Stücken erwarten uns ausschließlich bildhafte und lebendige Texte über den Wahnsinn des Alltags, das Erwachsenwerden oder Erinnerungen aus Papas Gartenlaube. Sänger Malte Thran gibt sich dabei fast zärtlicher als Jochen Distelmeyer und seine raffinierten Texte gehen ungefiltert ins Ohr um dort wie der Geruch einer sommerlichen Blumenwiese in der Nase zu verweilen.

Und was für grandiose Zeilen da verfasst wurden: „Kann die Logik nicht verstehen / will nur nach Hause gehen / im Elend den Freiraum sehen / sozialisiert in der BRD“ — ohnehin eines der Parade-Stücke des gesamten Albums und zudem gepaart mit einem der schönsten und nostalgischsten Musikvideos des vergangenen Jahres. Hier wird deutlich an welche Generation sich Botschaft wenden möchte: Die schon wieder etwas älter gewordenen Erwachsenen, die in der Bundesrepublik Deutschland der 90er Jahre aufgewachsen sind und sich lebhaft an Schlingensief, Henry Maske und den damals meiner Meinung nach wirklich sehr gut aussehenden Boris Becker erinnern können.

Doch was wäre gelungener Pop ohne eingängige Melodien? Der Vergleich eines Johnny Marr Gitarrenspiels („Daseinszweck“) wäre in diesem Kontext vermutlich etwas hochgegriffen, aber anderer Superlativ: Welche Band hat schon drei Gitarristen vorzuweisen? Richtig liebe Metall-Headz. Iron Maiden. Aber egal, Botschaft auch und das klingt irre gut. Die diversen Soli und catchy Melodien bekommst Du garantiert nicht mehr aus dem Kopf, kannst Du Dich noch so sehr anstrengen, denn die sind einfach zu­cker­süß („Atom“). Selbiges gilt auch für die Chöre, die hier und da im Hintergrund mitmischen („Herrschaftsbrei“).

Diese „Schöne Idee“ kommt übrigens aus Hamburg (und Berlin) und stimmt einen beim durchhören einfach froh und gut gelaunt. Hach, es passt alles hervorragend in diese verlorene Zeit, weshalb ich diesen Text nun mit einem etwas abgewandelten Tocotronic-Zitat schließen möchte: „Es ist, es ist einfach, Pop Musik“. Aber sehr gut gemachte.

09.02.19 Hamburg – Hafenklang
22.02.19 Bamberg – Pizzini
23.02.19 Offenbach – Hafen2
28.03.19 Braunschweig – Nexus
30.03.19 Augsburg – Grandhotel Cosmopolis
12.04.19 Kiel – FahrradKinoKombinat
13.04.19 Bochum – Dampfgebläsehaus

VÖ: 08. Februar 2019 via Tapete Records