Text: Pierre Rosinsky, 28. Februar 2022

Die verlassenen Hallen einer Schwimmhalle. Ein leeres Schwimmbecken, dessen eigentliche Funktion in der Stille der Nacht nicht mehr gefragt ist. Und mittendrin in diesem Becken acht musizierende Menschen. Zwei Jahre ist es inzwischen her, dass caroline ihre Debüt-Single „Dark blue“ mitsamt Video veröffentlichten. Dass sich die Band aus London seitdem für ihr erstes Album Zeit genommen hat, könnte fast schon repräsentativ für ihre Musik stehen.

caroline greift auf unzählige Genre-Einflüsse zurück, seien es Post-Rock, Folk oder Neo-Klassik. Was sich allerdings stringent in ihrer Musik wiederfindet, ist eine gewisse Zerbrechlichkeit: trotz meditativer Grundstimmung scheinen die Songs immer am Rande des Kollapses zu stehen und, ähnlich zur Öffnung eines vollgestopften Schrankes, als völliges Chaos über einen hereinbrechen zu wollen. Beispielhaft erwähnt sei hier der eben genannte Opener „Dark blue“, der den Zerfall nach und nach reinlässt, nur um wieder zur meditativen Ruhe zurückzukehren.

„Engine (eavesdropping)“ ist da noch konsequenter und bricht nach spärlicher Instrumentalisierung und entfernten Gesangseinlagen in avantgardistisches Gitarrengefrickel aus, wie man es sonst vielleicht von den experimentellen Höhepunkten einer „All Delighted People“-EP von Sufjan Stevens kennt. caroline zelebriert auf ihrem Debüt ein spezielles laut-leise-Muster, das weniger aus einem Wechselspiel als vielmehr aus einem progressiven Aufbau heraus entsteht.

Die Kunst ist es nun, ein solches Konzept spannend zu halten – und das schafft die Band auch dank kurzer Versatzstücke wie „desperately“ oder „#messen 7“, die wie Improvisationsstücke zwischen Aufnahmesessions wirken. Und selbst nach mehreren Durchläufen finden sich immer wieder neue Momente, neue Ideen, die die Anziehungskraft dieses Albums hochhalten. Womit auch die Frage beantwortet sein dürfte, ob sich das Warten nach der Debütsingle gelohnt hat.

VÖ: 25. Februar 2022 via Rough Trade