Text: Christian Selzer, 29. Januar 2020

Postrock? Ist mausetot, klare Sache. Zumindest die Musikkritik scheint sich da sicher zu sein und wirft dem Genre vor, zu stagnieren und aus der Zeit gefallen zu sein. Nun ist das so eine Sache mit den Genre-Zuweisungen. Gerade im Postrock ist das Feld weit und üppig, reicht vom sperrig-experimentellen Thrill-Jockey-Sound um Tortoise und Trans Am bis hin zum Breitwand-Klangspektrum von Russian Circles oder Mogwai. Sogar die Elektronik-Frickler Mouse On Mars wurden schon unter Postrock verbucht, während neuere Bands gerade versuchen, dem Genre mit Jazz-Einflüssen neues Leben einzuhauchen. Und daneben gibt es Formationen, bei denen eine Neuausrichtung tatsächlich fehl am Platz wäre, da sie ihre Sounddramaturgie – entgrenzte Strukturen, bildgewaltige Gitarrenwände, rauschhafte Crescendi – über Jahre hinweg perfektioniert haben.

Eine Band, die in die letzte Kategorie fällt, sind die US-Postrocker Caspian. Seit 17 Jahren feilt das Sextett beharrlich wie ein Monolith an einem Sound, der mit sphärischen Klängen und mächtigen Wall-of-Sounds zum Kopfkino einlädt. Größere Richtungswechsel blieben bislang aus und so ist es auch keine Überraschung, dass „On Circles” – das erste Album seit vier Jahren – zunächst auf altbekannten Pfaden wandelt. Majestätische Gitarrenwände? Check. Fragile Interludes? Check. Abrupte Breakdowns? Ebenfalls Check.

Neben den gängigen Instrumentalrock-Fingerübungen gibt es aber noch mehr zu entdecken. Zwar waren Caspian nie so experimentierfreudig wie Mogwai, so wuchtig wie GYBE oder so entrückt wie Sigur Rós. Doch gerade im Spiel mit den feinen Nuancen fand die Band zu Stärke und Tiefgang. Auch auf „On Circles” offenbaren die Zwischentöne ein langjährig geschultes Gespür für Details: Die Bläser in „Wildblood”, die mit ätherischen Klängen die Gitarren-Soundwände konterkarieren. Die Doubletime-Drums in „Flowers of Light”, die mit unerbittlicher Energie den Song zum berstenden Höhepunkt anschieben. Oder die Violine in „Ishmael”, deren aufgekratztes Zurren darauf schließen lässt, dass sie die letzten 50 Jahre in einem dunklen Kellerverlies verbracht hat.

Caspian beweisen, dass sie mehr können als Trommelfelle durchbrennen zu lassen. Zwar bedienen sie sich auch auf „On Circles” altbekannter Stilmittel. In der detailverliebten Produktion kommt jedoch ihre ganze Erfahrung zum Tragen, die sie als eine der mittlerweile Klassenältesten in der Postrockschule gesammelt haben. Bleibt abschließend nur noch eine Frage zu klären: Ist Instrumentalrock heute noch zeitgemäß? Nun, was könnte zeitgemäßer sein als der Wunsch, dass sich das Motto von Postrock in Zeiten hyperventilierender Wutbürger und polemischer Schreihälse schnellstmöglich verbreiten möge: Einfach mal die Klappe halten!

VÖ: 24. Januar 2020 via Triple Crown Records