Text: Stefan Killer, 26. März 2021

Zehn Jahre Bandgeschichte aufm Buckel, seit Kurzem einen Gitarristen weniger – für Citizen sind die fetten Jahre vorbei. Ein Neuanfang musste her. Und den hat das Trio mainstreamiger gestaltet, als vergangene Alben vermuten lassen. Doch mit „Life in Your Glass World“ schlägt Citizen eine Richtung ein, die nur bedingt vom bisherigen Alternative abweicht.

Was so großartig eingängige Songs wie „I Want to Kill You“ offenbaren, ist eine Art Alternative 2.0. Instrumentarium und Effektpalette geben der Band neue klangliche Grauzonen, das Songwriting ist leider umso berechenbarer. Beim Hören lässt es sich zu einfach in den Erinnerungen der Nullerjahre schwelgen – was für den einen oder die andere nicht schlimm ist. Für Menschen eben, die damals kaum einen Sommer ohne Gitarrenfestivals verbracht haben, ist „Life in Your Glass World“ mehr als wohltuend.

Für die Generationen, die solche Abende nur aus YouTube-Archiven oder noch länger vergangenen Tagen kennen, könnte das Album beliebig wirken. Und daran ändern auch gelegentliche Synth-Fragmente und diverse Arrangements wenig. Dennoch: Im Vergleich zu anderen Bands, die allzu offenkundig auf Nostalgiewellen surfen, bleibt Citizen ein Lichtblick. Während die vergangenen Platten einen scheidenden Zeitgeist zu erhalten versuchten, gibt sich „Life in Your Glass World“ als stilsicherer Koloss alternativer Rockerben.

Pop trifft auf Noise

Sänger Mat Kerekes trifft den Nerv der Zeit mit seinen schlicht gehaltenen Strophenmelodien und poppigen Staccato-Refrains. Diese unterstreicht Gitarrist Nick Hamm mit Noise-Klängen, etwa in „Pedestal“. Was besonders eindrücklich wirkt, ist die perfekt aufeinander abgestimmte Rhythmussektion, die wohl nicht immer nur auf Eric Hamms Mist gewachsen ist, wie Mat Kerekes in Bezug auf „Blue Sunday“ ausführt:

Der Song entstand, nachdem ich den Bass und das Schlagzeug zu der Strophe geschrieben hatte. […] Alles floss natürlich, und es ist einer meiner Lieblingssongs auf der Platte geworden. Er handelt davon, dass ich mein Haus nie verlassen will, und obwohl mich das glücklich macht, ist es auf verschiedene Arten doch ziemlich schlecht für mich.

Der reflektierende wie zwiespältige Ich-Bezug der Neunziger und Nuller wird also fortgeführt, begleitet durch zeitgemäß produzierte Offbeats, Staccato-Shouts und weiche Melodien – so weit, so bekannt. Die zweite Generation alternativer Musik dürfte zumindest all jenen einen Hauch Neues um die Ohren wehen, die bodenständiges Songwriting und dennoch etwas weiter ab vom Schuss sein wollen als in der eigenen Garage. Dem Rest bleibt ein Soundtrack fürs Wochenende unter freiem Himmel.

VÖ: 26. März 2021 via Run For Cover Records