Text: Julian Tröndle, 20. Juni 2022

Bereits auf den vorangegangenen EPs klang der karge Folk-Rock von Crake als käme er von einem Ort außerhalb der Zeit. Deshalb hier zunächst der Versuch einer sprachlichen Annäherung: Man stelle sich vor, Slowdive hätten ihre Reverb-Pedale im Rahmen eines okkulten Rituals eingeschmolzen, um im Gegenzug Karen Dalton als Frontfrau zu reanimieren. Und siehe da: Man bekommt ein erstaunlich akkurates Bild vom enigmatischen Sound des Quartetts aus Leeds.

Ähnlich beeindruckt vom ersten Hörerlebnis wie ich war offenbar auch Buck Meek, hauptberuflich Gitarrist bei den Indie-Folk-Darlings Big Thief, als Crake für eine seiner Soloshows in ihrer Heimatstadt den Abend eröffneten. Im Jahr darauf, als er mit Big Thief zurück auf der Insel war, waren Crake jedenfalls für deren gesamte Tour ins Vorprogramm gebucht. Dass sich Rowan Sandle, Inhaberin des besagten Dalton-Organs, und Big-Thief-Frontfrau Adrienne Lenker auf anhieb verstehen würden, war indes keine Überraschung; sie teilen nicht nur offenkundig ein auf gute Weise angestaubtes soundästhetisches Verständnis von Pop-Musik; auch ein schonungslos sezierender Blick auf die dunklen Momente menschlicher Existenz ist ihnen beiden eigen: Hier wie dort wirken Schmerz, Trauer und Verlust als ergiebige lyrische Katalysatoren.

Im Falle des Crake-Debüts „Humans‘ Worst Habits“ hat dieser sinistre thematische Fokus einen tragischen Bezugspunkt: Das Album entstand, kurz nachdem eine Freundin von Sandle, die in Syrien für eine Frauenrechtsorganisation tätig war, bei einem Türkischen Luftangriff ums Leben kam. Anders als Lenker wendet sich Sandle in ihrer Trauerarbeit allerdings nicht anekdotenhaft biographischen Fragmenten zu, sondern reflektiert in romantischer Tradition und inspiriert von Landschaftsromanen der Schottischen Autorin Nan Shepherd die Implikationen des Ereignisses vor dem Hintergrund der menschlichen Beziehung zur Natur. Flora und Fauna nämlich seien, so Sandle, der eigentliche Schlüssel, um das wahre Wesen menschlicher Erfahrung zu enthüllen – eine These, die sie auf „Humans‘ Worst Habits“ mit einer beeindruckenden Zahl metaphorischer Bezüge auf Landschaften, Pflanzen- und die Tierwelt zu belegen versucht.

Und so lässt das Album nicht nur klanglich an das dunkel schimmernde Meisterwerk „The Lioness“ von Songs: Ohia denken; die Eingangszeilen im Song „Lamb’s Tail“ wecken auch mit ihrer Dichte an Tiermetaphorik augenblicklich Erinnerungen an das traurige Genie Jason Molinas:

Caught me wishing on a lamb’s tail
If it moves to the right, I won’t sleep tonight
If it moves to the left then I will rest
Saw the dead mouse by the barn side
Had a face like cinnamon, but inside rotten
From where the cat had gotten in the door left ajar

VÖ: 17. Juni 2022 via Fika Recordings