Text: Michael Smosarski, 21. Februar 2017

Cherilyn MacNeil ist weit gereist – einerseits natürlich physisch (von Südafrika in ihre Wahlheimat Berlin vor einigen Jahren), noch wichtiger jedoch musikalisch. Was auf ihrem Debüt als strahlend helle Mischung aus Folk und Indie-Pop begann, wurde von Album zu Album abstrakter, ambitionierter – und auch eigenwilliger. „Day Fever“ setzt diese Reise konsequent fort. Die Basis von Piano oder Gitarre entfällt zumeist völlig, geht auf in fragmentierten Arrangements zwischen Vintage-Synthies, warmen Percussions, choralen Elementen und versponnen Orchester-Arrangements. In den wenigsten Fällen bieten sich die Songs an. Der Hörer muss die Hooks und Popmomente ebenso suchen wie MacNeil sich selbst in den brutal ehrlichen Stücken über Selbstzweifel und -erkenntnis.

Aufgenommen wurde das Album im sonnigen San Francisco unter der Regie der Produzenten-Legende John Vanderslice (u.a. Death Cab for Cutie, The Mountain Goats, The Magnetic Fields) in nur zehn Tagen. Vanderslice bestand darauf, ausschließlich komplette Takes der Songs zu nehmen und zwang MacNeil nach eigener Aussage so dazu, musikalische Unsauberkeiten in Kauf zu nehmen. Spielfehler oder ähnliches gibt es auf „Day Fever“ nun nicht zu hören, dafür steht die einfühlsame Stimme Cherilyn MacNeils im Vordergrund. Fast hat man das Gefühl, einem Selbstgespräch zuzuhören, in dem die Sängerin innerlich zerrissen mit sich ins Gericht geht, nur um sich im nächsten Moment wieder zu trösten – „It’s very beautiful, I am invincible“, heißt es im wundervollen Abschluss „The Run“, und der Hörer weiß nicht, ob es Cherilyn MacNeil so wirklich meint oder ob sie sich nur selbst davon überzeugen möchte.

An den äußeren Grenzen von Indie-Pop schafft Dear Reader so einen würdigen Nachfolger der großartigen Vorgänger-Platte „Rivonia“. „Day Fever“ ist ebenso abstrakt wie beseelt – ein Kunstwerk, völlig ungekünstelt.

25/02/2017 Berlin – Lido
16/03/2017 Hamburg – Uebel & Gefährlich
17/03/2017 Köln – Gebäude 9
23/03/2017 München – Milla
26/03/2017 Stuttgart – Merlin
27/03/2017 Leipzig – Nato
22/04/2017 Stade – Hanse Song Festival
16/06/2017 Mannheim – Maifeld Derby

VÖ: 24. Februar 2017 via City Slang