Text: Nico Beinke, 23. Juli 2021

Fusion ist ein Begriff, der im Jazz immer wieder auftaucht und eigentlich viel zu oft undefiniert bleibt. So verbinden sich in der Chemie zumeist Stoffe, deren funktionelle Gruppen auf molekularer Ebene kompatibel sind – bezogen auf den Jazz sind Schnittmengen mit z.B. Rock oder Dance immer dann möglich, wenn sich der freigeistige Jazz einem rhythmischen Korsett unterwirft. Was erst einmal drastisch klingt, muss nicht unweigerlich zu einer stringenten, künstlerischen Beschneidung von Kreativität führen und dient vor allem einer direkten Hörbarkeit der Komposition. Es macht die Musik nachvollziehbar und weniger elitär.

Entscheidend also die Frage: von welcher Seite wurde das Pferd aufgezäumt? Wir haben hier kein Dance-Album mit Jazz-Anleihen, sondern hier geht die Fusion ganz allein vom Jazz aus, der sich seine Tanzpartner von Track zu Track neu auswählt. Überwiegend verschmilzt die Fusion zu einer intellektualisierten Spielart des Acid-Jazz, um gelegentlich dann doch in Jazzrock-Gefilde („Mercury“) abzudriften. Ein Drahtseilakt par excellence, aber mitnichten Zufall. Stimmt die Chemie also? Sie stimmt!

Emma-Jean Thackray aus London ist vor allem erst einmal Trompeterin, aber ebenfalls gefragte Produzentin und ambitionierte Soul-Sängerin und zählt dabei gerade einmal 31 Lenze. Wo ich gerade Soul schreibe, sollte der nicht unerhebliche Anteil an Funk, der sich gelegentlich in selbstverliebtes Mucker-Gefrickel verrennt, erwähnt sein, der ordentlich Hummeln im Arsch hat. Das Arsenal an Vintage-Instrumenten sorgt im Zusammenschluss mit Thackrays einnehmender, zwischen Alt und Mezzosopran changierender, Stimmlage für den warmen Anstrich, der dem Gros an Funk/Jazz-Veröffentlichungen zu oft abhanden kommt. Und wer kann sich dem wunderbar tröpfelnd-getupften Sound eines Rhodes schon entziehen, um nur (m)einen Kandidaten aus der Reihe an E-Klavieren herauszupicken. Emma-Jean Thackray ist mit „Yellow“ ein überaus ambitioniertes Debüt gelungen.

VÖ: 23. Juli 2021 via Movementt