Text: Jan-Frederic Goltz, 26. Juli 2018

Denke ich zurück an eine Zeit in der man sich selbst genügte, erinnere ich mich an nicht enden wollende Sommerferien. Bedingt durch Urlaubsreisen des Freundeskreises und ebenso wohl wissend, dass diese sechs Wochen alles und gleichzeitig nichts bedeuten können, war die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, einen beachtlichen Teil dieser Zeit mit sich selbst zu verbringen. Oft war da nicht viel mehr als ein paar neue Alben, die man sich unter Zuhilfenahme seines Taschengeldes rausgeleiert hatte und diese fortan Tag und Nacht konsumiert wurden. Hat ja auch gereicht, man brauchte ja nicht viel. In diesen Momenten der inneren Melancholie erinnere mich ebenso an eine gewisse Portion Fernweh – ein Gefühl, dass ich in jenem Alter noch nicht vollständig begreifen oder deuten konnte. Wie viel Potential und Kreativität doch in diesem nicht unbedingt negativ zu deutenden Gefühls-Aggregatzustand stecken kann ebenso wenig.

Fernweh kommen übrigens aus Italien. Also, die Band jetzt. Wobei? Die drei Musiker aus La Spezia liefern ein mit fünf Tracks etwas kurz geratenes, aber solides Debüt ab. Der gelungene Stilmix aus Poly-Synths, Rock, Noise und ein wenig Pop ist gelungen, aber eben sehr breit gefächert. Kernstück ist das Titelstück selbst, was den Begriff von Fernweh meines Erachtens nach am besten wiedergibt. Da ist Sehnsucht, ein ungeahntes, nostalgisch bis mysteriöse Gefühl, wenn mehrere übereinander gelegte Sprachen Definitionen oder Theorien darüber vortragen, untermalt von langatmigen Bassgitarre-Anschlägen, flirrenden Synthies und lang hallenden Zischlauten.

Und dann ist da noch „Jennifer“. Bestimmt hat jeder Junge seine ganz persönliche Jennifer. (und jedes Mädchen ihren „Namen hier einfügen“). Jennifer – Mädchen vom Strand, vom Pool oder sonst wo – ihr wisst schon, das Mädchen dem man nach dem zwei bis drei wöchigen Urlaub immer noch schockverknallt Briefe geschrieben hat bis nichts mehr zurück kam. Seltsamerweise ist „Jennifer“ der Track, der mit seinem klassischen Indie-Einschlag am wenigsten auf dieses Album passt. Und das muss genauso sein.

27.07.2018 Berlin – Madame Claude
29.07.2018 Berlin – Lauschangriff
29.07.2018 Würzburg – Freiraum

VÖ: 20. Juli 2018 via Fernweh