Text: Stefan Killer, 05. Februar 2021

25 Jahre Foo Fighters wollte die Band 2020 feiern – mit einer weltumspannenden Tournee und neuem Album im Gepäck. Doch dann kam alles anders. Die Gruppe um Frontmann Dave Grohl wartete ab, der richtige Moment würde sicher bald kommen. Eine Live-Session via YouTube für die coronageplagte Klubszene der Vereinigten Staaten, drei Singles und einen Staatsakt später ist die Veröffentlichung von „Medicine at Midnight“ jetzt Realität. Und auch, wenn es (zum Glück) kein Best-of-Album wurde, viel Neues ist da nicht bei.

Anheizen wollen die sechs Musiker mit „Making a Fire“. Der Song erinnert unweigerlich an Tom Pettys erdiger Idee von Rockmusik. Funfact: Für denselbigen trommelte Dave Grohl zwischen seiner Zeit bei Nirvana und Foo Fighters. Zurück zum Opener: Der Frauenchor als Backingvocals fällt sofort auf. Ansonsten gibt’s netten soliden Rock, inklusive Strophe, Bridge, Refrain, B-Teil. „Shame Shame“ ist spannender, offenkundig durch minimalistische und ungewöhnlich hallende Pattern, Phrasen, Seufzer geprägt. Saiteninstrumente sind zweitrangig. Im Refrain holt Dave Grohl streicherschwanger zum Hit aus – und schlägt fehl. Mitreißend klingt anders.

Presidential Rock

Jetzt „Cloudspotter“. Grohl stellt sich mit einer Frauenstimme ein, die Call-and-response-Gitarren in der Strophe zerren auf die Tanzfläche. Dann platzen die Powerchords „Bang, bang, bang“ in die Hook – the Fighters have landed. „Waiting on a War“ reiht sich im Backkatalog ein in die Foos-Tradition gediegenerer Songs wie „Best of You“ oder „Times Like These“, die über die Jahre zu Stadion-Rockhits wuchsen. Letzteren gaben die Foo Fighters zur Zeremonie für Joe Biden zum Besten. Wer hätte Mitte der 1990er geglaubt, dass diese Band auf dem Höhepunkt ihrer Karriere im Rahmen der Vereidigung des US-amerikanischen Präsidenten auftreten würde? Verrückt.

Ähnlich wie Joe Biden üben die Foo Fighters neuerdings ihren Drang nach versöhnenden wie identitätsstiftenden Inhalten aus: Der Titeltrack „Medicine at Midnight“ ist stark beeinflusst durch Gospel. Er scheint, diesen mit eingängig rockigem Bass- und Gitarre-Unisono unter dem Dach der Dorfhalle zum letzten Tanz des Abends vereinen zu wollen. Durch „No Son of Mine“ weht gleich danach ein Hauch von Anarcho-Metal, ehe die chorgetragene Refrainparole dominiert.

„Holding Poison“ klingt wie eine B-Seite aus dem 2011er-Album „Wasting Light“. Die Hook kickt mit Offbeat, und das 1990er-Punkriff schiebt das Gros der Songs auf „Medicine at Midnight“ in den Krankenflügel. „Chasing Birds“ wirkt wie eine – ach so selbstironische – Midlife-Crisis für Akustikgitarre und ist kaum der Rede wert. Die knackige „Love Dies Young“-Melodieführung bleibt im Ohr, das Grundpattern treibt die Platte mit einem Grinsen Richtung Ende. Die Zündschnur fürs Konfetti im Stadion glüht schon.

Frauenchor und harte Grooves

Eins muss man den Foo Fighters lassen: Für vielfältige Arrangements sind sie sich nie zu schade. Bewährte Patentrezepte schreibt die Band nicht neu, dafür immer wieder um. Auf „Medicine at Midnight“ fallen dahingehend besonders der wiederkehrende Frauenchor und hart groovende Strophen auf. Was fehlt, sind hingegen die groben Riffs und Brüche mit den gewohnten Mustern der Popkultur, für die diese Band seit gut 25 Jahren bekannt ist.

„Medicine at Midnight“ klingt mehr wie das aufgemotzte Potpourri eines Pop-Urgesteins, denn eine Platte der wohl fleißigsten Erben des Grunge. Nicht, dass Foo Fighters jemals Teil des Genres waren – noch sein wollten. Doch sie vermochten zumindest, wie kaum eine andere Band die unangepasste Seite des US-amerikanischen Pop über Jahrzehnte in die Welt zu schreien. Nun sind sie deren verkopft groovende Boomer-Väter. Auch ok. Zumindest für Bayern 3.

VÖ: 05. Februar 2021 via RCA Records / Sony Music