Text: Nico Beinke, 09. September 2021

Das Problem mit der Neo-Klassik könnte sein, dass sie per se den Anspruch zu erheben scheint, Kunst zu sein. Was sie von mir aus auch ist – es soll hiermit gewiss kein mehr oder weniger unnötiger Diskurs heraufbeschworen werden. Es ist der Anspruch, der auf den Prüfstand gehört. Klassische Instrumente machen noch keine Kunst, die Komposition macht sie zu dem was sie sein kann. Wie kommen nun also z.B. Indie und Neo-Klassik zusammen, deren Ansatz doch so unterschiedlich zu sein scheint? Vielleicht so wie Gaspar Claus es mit „Tancade“ vorschlägt.

Beeinflusst von Sufjan Stevens und Efterklang, bis hin zu seiner Mitarbeit an klassischen Chansons für Barbara Carlotti (ich gestehe hiermit meine späte Liebe, nachdem ich eines ihrer Alben vor etlichen Jahren verrissen habe – ich war jung und dumm!), Gaspar Claus hat sich seine Sporen verdient und ist musikalisch denkbar breit aufgestellt. Wir reden hier trotzdem von einem reinen Solo-Album des Franzosen, der seine Cello auf mannigfaltige Weise loopt und sampelt und somit Schicht auf Schicht aufträgt (besonders während „E.T.“ an sechster Stelle). Und ganz egal ob gezupfte Arpeggien, oder getragen durch sehnsüchtig klingende, gestrichene Cello-Melodien, Claus‘ Kompositionen zeichnen immer Skizzen von Landschaften, Soundscapes von und für experimentelle Kurzfilme, oder begleiten einen zuhause durch Lebenskrisen, unterstreichen Glücksgefühle – den Phantasien sind keine Grenzen gesetzt, weder beim Hören und beim Musizieren schon gar nicht. Letzten Endes ist „Tancade“ unter anderem eine Werbeveranstaltung für das etwas unterbewertete Solo-Instrument Cello.

Und ja, Indie und Neo-Klassik kommen dort zusammen, wo Effektpedale getreten werden, wo Indie wieder einfach nur unabhängig bedeutet und keine Grenzen kennt. Nach Arthur Russell und Anne Müller nun Gaspar Claus – das Cello ist bemerkenswert vielseitig und benötigt die Art Musiker*innen, die es in Szene zu setzen wissen.

VÖ: 10. September 2021 via InFiné