Text: Oliver Schröder, 22. Oktober 2021

A Greyer Shade of Pale: 15 Jahre eingesponnen in 9 Kokons, die in 35 Minuten vorbeiwehen. Ihr zwölftes Album beinhaltet Songs, die quasi den gesamten künstlerischen Werdegang unter den Namen Grouper abdecken. Songs, die aus der Ferne von der Rauheit der Küste erzählen, aber dabei so nah und mittelbar klingen, dass einem fast unheimlich werden kann.

Aber nur fast, denn wir wissen ja mittlerweile, dass Liz Harris‘ Alben seit jeher wie Heimsuchungen funktionieren, die aufgrund ihrer dämmerigen Einsamkeit erst einmal befremdlich wirken. Wie sich unsere Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnen, gewöhnt sich unser Hörsinn auch an die flüchtigen Melodien, die immer so wirken, als lösten sie sich auf, wenn die Platte zu Ende gelaufen ist. Als ob sie uns auf dieses Verlustgefühl vorbereiten möchte, hüllt uns Harris mit „Follow The Ocean“ zunächst in eine dicke Rauschedecke ein, die alle äußeren Einflüsse dämpft. Anschließend findet man sich sofort in dieser schemenhaften Grouper-Welt wieder, in der der Alltag da draußen keine Rolle mehr spielt. In der nichts von Dauer ist. Sind die Sinne aber erst einmal derartig geschärft, wagt man sich als Hörer aus der Deckung, geht das Risiko ein, verletzt zu werden. So landet das anschließende „Unclean Mind“ direkt und unmittelbar im Herzen. Spätestens dann ist man sofort wieder verliebt in Liz Harris und ihre Kunst, Stille und Hall in Musik umzuwandeln. Das Klavier, das bei „Grid of Points“ neben den Vocals noch das Hauptelement war, ist hier nicht mehr zu hören. An dessen Stelle ist die Gitarre getreten, was für einen etwas weniger entrückten Klang sorgt. „Shade“ wirkt dadurch einen Hauch weltlicher. In dieser intimen Atmosphäre scheint die Künstlerin stellenweise ganz nah zu sein, nur um kurz darauf wieder in einem Schatten zu verschwinden.

„Shade“ wird damit zu einem phantastischen Album, das immer wieder an die Grenzen des Wahrnehmbaren geht und diese mit Leichtigkeit verschiebt. Im Anschluss wacht man wieder in der realen Welt auf. Eine ohrenbetäubend laute Welt voller greller Lichter.

VÖ: 22. Oktober 2021 via Kranky