Text: David Maneke, 14. Februar 2019

Am vergangenen Freitag haben Health ihr viertes Studioalbum „Vol. 4 :: Slaves of Fear“ veröffentlicht. Brachial kommt es daher, fein säuberlich herausgeputzter Industrial-Krach. Musikalisch ist die Platte konsistent, es gibt keine Ausreißer nach oben und keine nach unten. Dick produziert ist sie auch, in der richtigen Stimmung macht sie ganz laut bestimmt großen Spaß.

Ein bisschen wirkt die Platte wie ein Relikt dessen, was im Saturn CD-Regal summarisch als „Alternative“ zusammengefasst wurde. Mit Sicherheit hätte die Platte vor einiger Zeit gutgemeint einen musikalischen Referenzrahmen zwischen Marilyn Manson, Slipknot, oder auch Boss-Melancholiker IAMX (et. al.) attestiert bekommen. Health tragen auf „Vol. 4 :: Slaves of Fear“ einen Gutteil der Attitüde damaliger Alternative-Heroen (die heute oftmals noch von den gleichen Hörern geliebt werden, nur dass jetzt halt das Streifenhemd über dem Wohlstandswämpchen spannt) vor sich her: es ist ein wohlerprobtes Außenseitertum, das zelebriert wird; auch Wut, Emotionalität. Musikalisch verfeinert durch den Kontrast im Gesang – wo meinetwegen IAMX sein gesamtes emotionales Spektrum nicht nur singulär in die Musik gepackt hat, sondern auch in den Gesang, da bietet der zarte Gesang Jake Duzsiks einen spannungsreichen Kontrast zur weltschmerzgeladenen Bombast-Industrial-Operette, die Health hier abliefern.

Reichlich schade ist, dass das spannende auf dem Album hier aber schon aufhört. Über diesen – nicht neuen! – Kontrast im stimmlichen, der Health ja schon seit Jahren prägt, bietet die Platte wenig Raffinesse, sondern nur viel Bombast. Zur Einordnung: Health ist die Band, der wir wesentliche Einflüsse für das phänomenale erste Album der Indietronic-Überheroen Crystal Castles zu verdanken haben. Das 2007 erschienene, selbstbetitelte Debüt von Health war ein absolutes Highlight. Die brachiale Urgewalt der Musik, anarchisches Songwriting, der respektlose Umgang mit Harmonie – mit diesen künstlerischen Mitteln haben Health eine fast berauschende zerrüttete Dynamik auf uns niederprasseln lassen. Und dass Crystal Castles neben Crimewaves sich ausgerechnet die 56 Sekunden völlige Entrückung von Courtship zum Vorbild genommen haben, adelt die anarchische Energie der Band.

Leider fehlt „Vol. 4 :: Slaves of Fear“ diese regel- und zügellose Dynamik vollkommen. Wie gesagt, dick produziert ist die Platte. Fans der Musik werden auf ihre Kosten kommen. Es sollte auch nicht wundern, wenn „Vol. 4 :: Slaves of Fear“ kommerziell erfolgreich wird, das Ganze ist ausgesprochen gefällig und hat ja eben auch seine gewissen popmusikalische Qualitäten. Der Song „Slaves of Fear“ zum Beispiel ist, im Vakuum betrachtet, nicht ohne interessante Momente. Aber über die komplette Länge fehlt das anarchische Moment, alles am Album wirkt wie am Reißbrett eines Erfolgsarchitekten entstanden. Bezeichnend ist dann eben, dass die Band den interessantesten Einfluss in dem Moment ausgeübt hat, als sie sich einen Scheiß um Produktion, Gefälligkeit und Harmonie geschert hat. Und das ist halt die große Enttäuschung der aktuellen Platte – sie ist einfach zu aalglatt. Flankiert wird dieser Eindruck vom bisweilen etwas großspurigen PR-Auftritt, der in „Vol. 4 :: Slaves of Fear“ ein Meisterwerk epochaler Bedeutung sehen will, das die Platte, mit Verlaub, schlicht nicht ist.

Aber klar, dein Haus bezahlst du auch nicht von Ruhm und Ehre in Kennerkreisen. So schlecht wird es den Musikern von Health jedoch nicht gehen: dem Pressetext zufolge erwuchs ein Teil der Motivation für „Vol. 4 :: Slaves of Fear“ aus Episoden, während denen die Bandmitglieder Kunst mit erheblichen Werten handelte (was auch immer das mit der Platte an sich zu tun haben soll). Aber wenn du nicht gerade Damien Hirst bist, dann machst du entweder große Kunst oder du kaufst sie.

27.02.2019 Frankfurt – Nachtleben
28.02.2019 München – Feierwerk
01.03.2019 Leipzig – Täubchenthal
02.03.2019 Berlin – SO36
20.03.2019 (CH) Luzern – Schüür

VÖ: 08. Februar 2019 via Loma Vista Recordings