Text: Matthias Eichler, 03. Mai 2022

Klar, Pandemiezeit erzeugt vordergründlich nur hassbares, sie weist die Menschen durch social distancing in ihre Schranken, lähmt sie durch Zoom-Müdigkeit und bringt manche Leute sogar dazu ihren Alltag mit selbstgesetzten Reizen zu versehen, indem sie witzige Oberteile anziehen bevor die Shutdown-Vergesslichkeit wieder ordentlich zulangt. Aber es gibt auch lohnenswerte Reisen: In diesem Fall auditive und visuelle, denn das Berliner Post-Punk-Quartett Hello Pity hat sich im Lockdown offensichtlich der Produktivität verschrieben und veröffentlichten letzte Woche ihre zweite Single „John“, arbeiten zudem noch an ihrem Debütalbum und planen für dieses Jahr eine Tour.

Dank erster Auftritte (u.a. mit Lorelle Meets the Obsolete und The Gluts) und der Veröffentlichung ihres ersten DIY-Tapes „Goodbye Genius“ im Jahr 2019 konnten sie schon viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und wurden durch Gender-Bending und ihrer schier unerschöpfbaren Energie in der Szene mit offenen Armen empfangen. Mit ihrer Video-Single bedienen sie sich eines Bibelverses: „Ich bin in diese Welt gekommen, damit sich an mir die Geister scheiden. Die Blinden sollen sehen können, aber alle Sehenden sollen blind werden“ (und wow, ich merke gerade, dass Jesus zu zitieren meinen selbstgesetzten Reiz für den heutigen Tag ausmacht), welches sich um geistige Blindheit dreht und bringt die Trennung zum Ausdruck, die während des Lockdowns in Berlin zu spüren war. „Im Grunde geben die Heuchler vor, mit Glauben zu sehen und zu handeln, aber sie sind tatsächlich blind für die Wahrheit, die vor ihren eigenen Augen passiert“, sagt die Band.

In Bezug auf die Pandemie: „Es scheint, als hätten wir unterwegs etwas verloren und alles Vergangene ist weggebrannt. Das Video spiegelt diese Entfremdung von sich selbst und den anderen und den Verlust der Kommunikation wider – reflektiert durch eine Pantomime und Schatten, die Gefühle ohne Worte ausdrücken.“ Die Palette ihrer Inspirationen ist breit, von Folk-Rock bis Noise und war die Stimmung ihres ersten Tapes noch mehr dem Grunge behaftet, finden sie sich hier in abgedunkelten Szenen wieder, verführerisch, einnehmend und ja, irgendwie auch in Kooperation mit der heiligen Schrift. Tja, Bibelverse ins Boot zu holen, muss man sich erstmal leisten können.

VÖ: 27. April 2022 via Duchess Box Records