Kann Musik ganz pauschal einem Geschlecht zugeordnet werden? Led Zeppelin als reine Frauen-Band? Noch dazu in den 1970er-Jahren? Schwer vorstellbar. Aber was passiert, wenn die Geschlechtszuweisung direkt vom Erzeuger der Musik vorgenommen wird? Wir reden hier nämlich über Instrumental-Musik. Die tunesische Perkussionistin Houeida Hedfi sagt über ihren musikalischen Ansatz:
It’s also made by a woman. That makes a difference. My music doesn’t take up so much space, it has nuance. If I had to put a nationality to my music, I would also put a gender to it.
Um es sich einfach zu machen, könnte die Gleichung also lauten: Geschlecht des Musikers = Geschlecht der Musik. As simple as it can be. Bringen wir also den nächsten Fakt aufs Tapet: Olof Dreijer (The Knife, Oni Ayhun) tritt für „Fleuves de l’Âme“ als Co-Produzent in Erscheinung. Olof Dreijer, der selten, aber wenn nur für Festivals auftritt, wenn das Line Up der gebuchten Künstler zu mindestens 50 % aus Frauen besteht. Brechstangen-Feminismus? Viel eher eine herbeigesehnte und längst überfällige Frauenquote im männerdominierten Musik-Business.
Und nun dann doch noch ein wenig zur Musik. Die von Hedfi – neben dem Geschlecht – erwähnte Nationalität ihrer selbst und der acht Stücke während „Fleuves de l’Âme“ spielt insofern eine Rolle, da sie ihre nordafrikanisch/arabische Herkunft nicht nur nicht zu verbergen suchen, sondern ihr ein zentrales Thema widmen. Typische Viertelton-basierte, genauer 24-tönige Oktaven umfassende Instrumentals lassen sich zuerst sicherlich schwerer knacken, eigentlich vor allem, weil sie unseren westlich geprägten Hörgewohnheiten nicht zu schmeicheln suchen. Hedfi – als Schlagzeugerin und Perkussionistin sicherlich nicht verwunderlich – bettet ihr exotisches Instrumentarium auf Polyrhythmen, die kaum noch nachvollziehbar und für die Allerwenigsten nachspielbar sein dürften. Die Virtuosität schlägt der Eingängigkeit zu oft ein Schnippchen, so auch hier. Es braucht ein wenig Stehvermögen und dieses Album gewinnt bei jedem Ritt auf dem Plattenteller.
Gut gewählt als Opener: „Souffles du Nil“, wenn ein dezent angeschlagenes Klavier einer hypnotischen Orgelmelodie den Weg ebnet und vor allem den Einstieg in dieses hörenswerte Album erleichtert. Denn während der ersten beiden Minuten lässt sich am ehesten noch der elektronische Einfluss Olof Dreijers heraushören. Diese acht Stücke sind so weit weg von Led Zeppelin wie es nur eben geht und lassen die hedonistische Breitbeinigkeit des Stadion-Rocks grotesk erscheinen. Und durch ihre Anmut, ihre Leichtfüssigkeit und Schönheit wirken sie tatsächlich tendenziell feminin. Was sich nicht denken lässt, lässt sich gemeinhin fühlen. Denn so sagte bereits der große Charlie Chaplin als jüdischer Barbier in der Rolle des „Großen Diktators“: „Wir denken zu viel und fühlen zu wenig“.