Text: Stefan Killer, 25. September 2020

Träte Joe Talbot als Politiker und nicht als Sänger ans Mic, die Wählerstimmen der sogenannten Randgruppen wären ihm sicher. Nicht nur, weil er im Namen der Audio-Randalen Idles rassistischen Spaltern wie Donald Trump den lyrischen Mittelfinger zeigt. Auch die vereinten Stile auf „Ultra Mono“, dem dritten Album der Band, verkörpern Stimmen kleingeredeter Bewegungen.

Davon zeugt die mal beat- und mal punkorientiert tonangebende Trommel, die in Form musizierender Schwarzafrikaner den Siegeszug der Popkultur schon zur Kolonialzeit einleitete. Und auch Tiefbass-Synthi und hallende Gitarren sind Zeichen dessen: In ihnen findet nicht nur die Wave- und Postpunk-Gemeinschaft aus den 1980er-Jahren ihren Frieden beziehungsweise ihr Ventil. Seit dem Debüt im Jahr 2017 bedient Idles diese Subkulturen. Mit „love and compassion“, wie es in einer Ansprache auf dem bislang einzigen Livealbum heißt.

„I beg your pardon“ für den politisierenden Musikgeschichtsexkurs. Um dasselbe bittet Mr Talbot in „Model Village“, denn er interessiert sich weder für Gartenpflege noch sonstige Dorfkonventionen. Vielmehr liegt Idles daran, queeren und anderweitig (mental) niedergetrampelten Menschen wieder auf die Beine zu helfen. Das spiegelt sich im progressiven Laufschritt der Musik genauso wider wie in den Texten. Aufstehen und laut sein bleibt die Idles-Devise, auch auf „Ultra Mono“.

Aufruhr mit Schleifchen im Haar

Damit ist den fünf Köpfen das Alleinstellungsmerkmal sicher: Wachrütteln um jeden Takt – in aufrührerischer Bristol-Arbeitermanier. Aber am besten mit Blümchen und Schleifchen im kaum vorhandenen Haar Joe Talbots. Wenn die Zeile „So I raise my pink fist and say black is beautiful“ den Raum füllt, sieht ihn das innere Auge im Hawaiihemd zähneknirschend auf der Bühne auf- und abspringen. Voller Zorn über Missstände. Und zugleich so wohlwollend. Doch er ist nicht der „Mr Motivator“, den die Band exemplarisch im gleichnamigen Song auf „Ultra Mono“ in Form mehrerer Beispiele prototypisiert. Das sind wir.

Ginge es nach der politischen Überzeugung in „Grounds“, würde auf Wahlwerbeplakaten „I am I – unify“ prangen. Sollen wir die Person sein, die kontra gibt, menschengemachte Missstände benennt und nicht länger hinnimmt? Egal. Solange wir Regenbögen schwarzmalen und Spaß dabei haben, werden Joe Talbot und seine Männer weiter so grob gute Musik wie auf „Ultra Mono“ machen.

18.02.2022 Hamburg – Docks
22.02.2022 Berlin – Columbiahalle
23.02.2022 Köln – Carlswerk Victoria
24.02.2022 München – Muffathalle

VÖ: 25. September 2020 via Partisan Records